Vom Skingirl zur Anti-Gender Aktivistin – Frauenorganisationen in der extremen Rechten

Die szeneinternen Diskussionen um die Rolle von Frauen innerhalb der extremen Rechten sind inzwischen kaum noch wahrnehmbar. Spätestens mit der Selbstenttarnung des NSU und den medialen Reaktionen auf Beate Zschäpe als Beteiligte wurde aber offenbar, dass Frauen sich aktiv in die Szene einbringen.

 
Neonazi-Aktivistinnen am 21. September 2013 in Berlin-Lichtenberg. © apabiz

Die Forschung zu rechten Frauen erlebte um 2000 einen Höhepunkt und wurde danach durch das Frauenforschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus verstetigt. In Ergänzung dazu hat das apabiz eine Recherche zur Eigenorganisation von Frauen in der rechten Szene erstellt. Wir beziehen uns dabei auf Gruppierungen, deren Mitgliedschaft ausschließlich Frauen vorbehalten war. Ausnahme davon bilden lediglich zwei Organisationen, die trotz formeller Offenheit für Männer hauptsächlich auf das Anwerben von Frauen abzielten. Dabei handelt es sich einerseits um den „Nationalen Sanitätsdienst“, andererseits um die REP-Frauen. Bei letzteren konnten Männer zwar beitreten, hatten jedoch kein Stimmrecht. Wir konnten insgesamt 50 Organisationen benennen, 48 davon waren ausschließlich für Frauen offen. Die Analyse bezieht sich auf einen Zeitraum von Mitte der 1980er Jahre bis 2014. Im Zeitraum davor konnten wir lediglich die „Gesamtdeutsche Frauengruppe“ in den 1960er Jahren ausmachen.

Ein Schwerpunkt der Neugründungen zeichnet sich um das Jahr 2000 ab. Seit diesem Zeitpunkt gründete sich bis 2009 jedes Jahr mindestens eine neue Gruppe. Nicht immer sind Gründung und Auflösung jedoch nachvollziehbar, bei fast 20 Organisationen konnten wir kein eindeutiges Jahr ermitteln. Auch vor und nach dem Jahrtausendwechsel existierten sehr aktive Gruppen, beispielhaft lassen sich hier der „Skingirl Freundeskreis Deutschland“ (SFD) und der „Mädelring Thüringen“ nennen. Letztere hatten ihren Arbeitsschwerpunkt, wie auch ihre Nachfolgeorganisation „Free-Gender“ , in der Stimmungsmache gegen sogenannten »Genderterror«.

Neonazi-Frauenorganisation "Düütsche Deerns" am 14. August 2010 beim "Trauermarsch" in Bad Nenndorf (c) apabiz
Neonazi-Frauenorganisation „Düütsche Deerns“ am 14. August 2010 beim „Trauermarsch“ in Bad Nenndorf © apabiz

Von Brauchtumspflege bis Straßenkampf

Sowohl das Bild von Weiblichkeit, mit dem die Gruppen arbeiten, als auch ihre Aktionsfelder sind enorm unterschiedlich. Während einige das Bild völkischer Mutterschaft propagieren, inszenieren sich andere deutlich als aktive Kämpferinnen für die nationale Sache. Dies geht meist einher mit ihren Arbeitsschwerpunkten. Inhaltlich lassen sich fünf hauptsächliche Themenfelder ausmachen: 1. Brauchtumspflege, 2. Kulturarbeit, 3. Hilfsorganisationen für Inhaftierte, 4. »Frauenthemen«[1] in schon bestehende Gruppierungen einbringen und 5. Frauen als gleichberechtigte Kämpferinnen etablieren.

Als Brauchtumspflege gilt vor allem die Organisation von Sonnenwendfeiern, Gesangsrunden und die Weitergabe traditioneller Werte. Entsprechend arbeiten diese Gruppen sehr stark mit der Vorstellung von völkischer Mutterschaft. Hier lassen sich etwa der „Bund heimattreuer Frauen“ und der „Mädelbund Hochfranken“ einordnen. Hingegen gilt als Kulturarbeit die Organisation von Rechtsrock-Konzerten für die jüngere extrem rechte Szene. Weiblichkeit wird dabei mitunter implizit als Beweggrund für das Interesse am Thema Kultur angebracht. Die Frauen sehen sich als Männern ebenbürtig, mitunter sogar überlegen an. Bei den Konzerten waren zum Teil internationale Bands anwesend und sie dienten nicht nur der Stärkung des Gemeinschaftsgefühls, sondern auch der bundesweiten und sogar noch weiterreichenden Vernetzung.

Beispielhaft hierfür sind die „Aktive Frauen Fraktion“ oder der „Germanische Freyfrauen Bund“. Für inhaftierte KameradInnen, deren Familien, aber auch nur für die von Repression betroffenen Frauen zeigten sich explizite Hilfsorganisationen verantwortlich.Dies rekurriert einerseits auf die Vorstellung von Frauen als stärker sozial orientiert und hilfsbereit. Andererseits artikulierte gerade die Gruppe „Jeanne D.“ (das D. steht hier für Deutschland) sich als Sprachrohr und Vernetzung von durch Strafverfolgung oder soziale und berufliche Folgen ihrer Gesinnung betroffene Frauen zu verstehen. Andere Hilfsorganisationen waren „Einfach ins kalte Wasser“ geworfen und der „Freie Mädelbund“.

Die Eigenorganisation geschah jedoch nicht immer fernab von schon bestehenden Gruppen. So schlossen sich auch innerhalb bereits etablierter Strukturen Frauen zusammen, mit dem Ziel eine bessere Vertretung ihrer Interessen zu erreichen, teils aber auch um sogenannte »weiche Themen« zu übernehmen. In diese Sparte fallen die FAP-Frauen und die Frauen in der „Fränkischen Aktionsfront“.
Etwas abseits von den bisher genannten Richtungen arbeiteten Gruppen, welche betonten, dass auch Frauen kämpferisch agieren können und wollen. Einer Einteilung von Mariel Renz[2] folgend verteidigen diese Organisationen das Ideal der politisch aktiven Kämpferin. Beispielhaft dafür sind die „Mädelgruppe der Kameradschaft-Tor“ und die „Kraft deutscher Mädels“.

Aktuelle Trends

Inzwischen gibt es aber deutlich weniger Bestrebungen von Frauen, sich eigenständig zu organisieren. Als noch bestehende Gruppen sind hier der „Ring Nationaler Frauen“ (RNF), die „Gemeinschaft Deutscher Frauen“ (GDF) und die „Düütschen Deerns“ zu nennen. Der Trend geht jedoch eher dahin, dass Frauen sich aktiv in gemischtgeschlechtliche Zusammenhänge einbringen. Dies zeigt sich sowohl daran, dass es neben den drei genannten keine wahrnehmbare Eigenorganisationen von Frauen in der extremen Rechten mehr gibt, als auch daran, dass Geschlechterverhältnisse in der Szene inzwischen deutlich weniger kritisch thematisiert werden als noch vor 15 Jahren.
Das Bedürfnis nach geschlechtergetrennter Organisation damals geht vermutlich einerseits auf das Aufbegehren von Skingirls in den 1990er Jahren gegen den massiven Sexismus und sexualisierte Gewalt in der Szene zurück. Andererseits dürfte die dritte Welle der Frauenbewegung auch extrem rechten Frauen bestehende Diskriminierungen aufgezeigt haben. Die Diskussionen um Geschlechterverhältnisse in der Szene werden zwar kaum öffentlichkeitswirksam artikuliert, sie werden jedoch weiterhin geführt. Dafür werden die Themen Gender Mainstreaming und Familienpolitik inzwischen stärker behandelt.

Dieser Beitrag erschien zuerst in monitor – Rundbrief des apabiz #68 von März 2015.

 

  1.  Als sogenannte »Frauenthemen« gelten Felder wie Familie, Soziales oder Kultur, manchmal auch als »weiche« Themen benannt. Dies zielt auf ein Bild klassischer Weiblichkeit, nachdem Frauen diesen Themen eher zugeneigt wären.
  2.  Mariel Renz stellt in dem Buch »Frauen und Rechtsextremismus« (1995) drei Typen von Weiblichkeit dar, die in der rechten Szene vertreten werden. Diese Darstellung besitzt in Grundzügen auch heute noch eine Berechtigung.
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