Neonazis konnten marschieren

 

Der 1. Mai in Berlin-Schöneweide: 450 bei NPD-Demo laufen Ministrecke ab/Polizei verhindert mir Pfefferspray- und Wasserwerfereinsätzen Blockaden/dennoch Protest durch viele tausend Menschen/Neonazis griffen zwei JournalistInnen an

Am 1. Mai konnten in Berlin-Schönweide rund 450 Neonazis aufmarschieren. Die NPD hatte unter dem Motto „Wir wollen nicht die Melkkuh Europas sein“ zu der Aktion aufgerufen. Rund um den Aufmarsch protestierten tausende Menschen. Schon morgens hatten sich vier Personen in einer Pyramidenkonstruktion direkt auf der Demonstrationsroute angekettet, um so die Strecke zu blockieren. Die Polizei schaffte es jedoch nach über vier Stunden gerade rechtzeitig zum Demonstrationsbeginn, die Konstruktion nebst den Angeketteten auf einen LKW zu verladen und abzutransportieren. Ihnen wird nun unter anderem Nötigung vorgeworfen. Auch geplante Menschenblockaden im Stil der Dresdener Proteste scheiterten letztlich am teils brutalen Vorgehen der Polizei, die unter anderem Tränengas und Wasserwerfer einsetzte. Die NPD freute es – in einem Nachbericht hieß es: „Dank des vorbildlichen Polizeieinsatzes mit konsequenter Absicherung der Demonstrationsroute konnte der Marsch ohne Zwischenfälle durchgeführt werden.“ Dennoch wurde am Rand der Strecke immer wieder heftig und lautstark protestiert. Schon am Vorabend hatten rund 4000 Menschen in Schöneweide an einer Antifademonstration mit einem anschließenden Konzert unter dem Slogan „Gemeinsam gegen Nazis“ teilgenommen.

Einmal Brückenstraße und zurück

Um die Route vor eventuellen Blockaden zu schützen setzten die Neonazis eine neue Taktik ein. Seit dem frühen Morgen führten sie auf einer zentralen Kreuzung der Aufmarschstrecke eine Kundgebung durch, bei der sie größtenteils Musik abspielten und sich über Stunden auf der Kreuzung langweilten.

Die Aufzugstrecke der Neonazis führte ab dem Mittag vom S-Bahnhof Schönweide durch die Brückenstraße, wo sich die inzwischen vom Vermieter gekündigte Szenekneipe „Zum Henker“ sowie das Military-Geschäft „Hexogen“ des Berliner NPD-Chefs Sebastian Schmidtke befinden. Am Ende der Brückenstraße vereinte sich die Demo mit den 50 KundgebungsteilnehmerInnen zu einer Gesamtzahl von etwa 450 Neonazis. Sie kamen vor allem aus dem Raum Berlin und Brandenburg, außerdem war ein größeres Kontingent aus Mecklenburg-Vorpommern sowie Teile der sächsischen Landtagsfraktion angereist. An der Demospitze liefen unter anderem NPD-Funktionäre wie Maik Scheffler, Jens Pühse, Frank Schwerdt, Udo Voigt und Holger Apfel. Die Neonazis skandierten Parolen wie „Gegen EU und Kapital, unser Kampf ist national“, „Nationaler Sozialismus jetzt“ oder „Dumm, dümmer Antifa“. Aus der Demonstration heraus wurden JournalistInnen mehrfach bedrängt, zwei wurden bei einer Attacke geschlagen und leicht verletzt.

Reden an der Bahnhofsbühne

Vom Ende der Brückenstraße machte die Demonstration einen Bogen und kehrte wieder zum Ausgangsort zurück. Dort war eine Bühne für das anschließende Programm aus RednerInnen und dem Liedermacherduo „Brauni und Klampfe“ aufgebaut. Am Rande kam es zu einer Prügelei zwischen einigen neonazistischen AnwohnerInnen, die am Bahnhof reichlich Alkohol tranken, und dem Ordnerdienst der Neonazis.

Neonazis buhen NPD-Chef aus

Als Veranstalter Sebastian Schmidtke Hauptredner und NPD-Bundeschef Holger Apfel ankündigte, schallten laut vernehmliche Buhrufe aus der Menge der Neonazis. Apfel ist wegen seines Führungsstils in der Neonaziszene umstritten. Er bemühte sich, mit der Rede von der „Reichshauptstadt“ Berlin den richtigen Ton für sein Publikum zu treffen, konnte die Stimmung aber letztlich nicht zu seinen Gunsten herumreißen. Es folgte eine kurze Ansprache von Maria Fank, Berliner Chefin des „Ring Nationaler Frauen“ – im Gegensatz zu einer Zeit „vor einigen Jahrzehnten“ würden heutzutage durch die Politik Frauen davon abgehalten, Kinder zu gebären und zu versorgen. Ex-NPD-Bundeschef Udo Voigt, der auch Verordneter im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick ist (dazu gehört auch Schöneweide), vermochte es im Anschluss besser als sein Konkurrent Holger Apfel die Menge für sich einzunehmen: Den anstehenden NSU-Prozess bezeichnete er als ein Spektakel zur Kriminalisierung „aller Patrioten in unserem Land“. Es handele sich um eine Verschwörung von türkischer Mafia und Geheimdiensten, doch er sei sich sicher, dass „die Wahrheit nicht ewig unterdrückt werden“ könne. Abschließend sprach der Münchner Karl Richter. Er begrüßte den deutschen Charakter von Schöneweide, „wo die Leute noch aussehen, wie sie aussehen sollten“. Weil das anderswo in Deutschland nicht mehr der Fall sei, wäre „die BRD nicht unser Deutschland“. Auch Richter betonte, dass der NSU „nichts mit uns zu tun“ habe, sondern ein Konstrukt „irgendwelcher Hintergrundorganisationen“ sei.

Der letzte Aufmarschversuch der NPD in Berlin zum 1. Mai war gescheitert: 2010 kamen im Prenzlauer Berg rund 640 Neonazis nur wenige hundert Meter voran. Eine als „Plan B“ vorab geplante weitere, nicht angemeldete Demo auf dem Kurfürstendamm endete für die meisten der 300 dort versammelten Neonazis mit Gewahrsamnahmen.

Neonazidemos am 1. Mai bundesweit

Auch in einigen anderen Städten hatten Neonazis für den 1. Mai Aktionen angekündigt. In Frankfurt am Main, neben Berlin die zweite zentrale NPD-Veranstaltung am Tag, wurde die geplante Kundgebung durch Blockaden verhindert. Stattdessen marschierten rund 150 Neonazis durch das nah gelegene Hanau. In Dortmund liefen rund 450 Neonazis unter dem Banner der Partei „Die Rechte“ durch den Vorort Körne – leider nur durch vergleichsweise geringe Proteste begleitet. Anders in Erfurt: Durch Blockaden konnten die 300 Neonazis aus dem Spektrum der „Freien Kameradschaften“ nur 300 Meter ihrer geplanten Strecke ablaufen. In Würzburg gab es keine Blockaden – allerdings protestierten rund 8000 Menschen gegen eine Menge von 350 Neonazis, die von der Kameradschaftsstruktur „Freies Netz Süd“ mobilisiert worden waren. Insgesamt waren bundesweit also etwa 1800 Neonazis auf der Straße – weit weniger als in den Vorjahren. 2010 waren es noch 3.700 Neonazis gewesen.

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