Gastbeitrag von Fabian Kunow
Am 12. Februar griffen Jugendliche mit Migrationshintergrund zwei Männer am Bahnhof in Lichtenberg an. Sie verletzten einen der Beiden schwer. Die Tat fand Eingang ins öffentliche Bewusstsein, vermittelt über Boulevardzeitungen, die mehrfach mit dieser Geschichte titelten.
Diese Steilvorlage ließ sich die Berliner Neonaziszene nicht nehmen. Beschränkt sie sich doch in der Regel auf selbstreferenzielle Themen wie „Anti-Antifa“ oder NS-Verherrlichung im kleinen Kreise.
Demonstrationen
Am 16. Februar dieses Jahres marschierten 30 vermummte Neonazis vom Lichtenberger Bahnhof aus die Weitlingstraße entlang. Sie trugen Fackeln und riefen rassistische Parolen. Bevor die Polizei eintraf, war der Spuk vorbei. Zwei Tage später mobilisierte die NPD zu einer Mahnwache an den Tatort (Berlin rechtsaußen berichtete). Mit über 200 TeilnehmerInnen war die Mahnwache überraschend gut besucht. Es sprachen Sebastian Schmidtke, das Bindeglied zwischen Partei und „Freien Kräften“, ebenso wie der parteilose NPD-Kandidat Hans-Ulrich Pieper. Letzterer, der sonst eher in gutbürgerlichen Kreisen in West-Berlin unterwegs ist, hatte sich passend zum Anlass ein schwarzes Basecap aufgesetzt. Die Lichtenberger Kreisverbandsvorsitzende Manuela Tönhardt läutete an diesem Abend ebenso wie der Bundesvorsitzende Udo Voigt den NPD-Wahlkampf in Berlin öffentlich ein. Ein Neonazi schlug am Rande von Gegenprotesten die BVV-Verordnete Marion Feustel. Nur kurze Zeit später an diesem Abend stellten sich Personen, die der aufgelösten Gruppierung FN-Mitte (Freie Nationalisten Berlin Mitte) zuzurechnen sind, mit einem Transparent („Kriminelle Ausländer Raus“) am S-Bahnhof Friedrichstraße auf.
Kampagne
Mit zwei Texten auf dem Berliner Neonazi-Portal „nw-berlin.net“ wird seit Anfang März für eine „Ausländer Raus Kampagne in Berlin“ geworben. „Mit kreativen Aktionen“ solle versucht werden, „auf die Probleme durch Überfremdung aufmerksam zu machen und Mitstreiter im Kampf gegen das marode Demokraten-System zu finden.“ Der Text endet mit einem ausgewiesen Adolf Hitler-Zitat. Im Zuge der Kampagne klebten Neonazis in Lichtenberg Plakate, auf denen „Ausländer raus“ stand. Auch eine entsprechende „Bürgerinformation“ zum Thema wurde verteilt. Mittlerweile finden sich im Lichtenberger Weitlingstraßen-Kiez mit Edding geschmierte „Ausländer Raus“-Schriftzüge. Unterschrieben sind diese mit „nw-berlin“.
Übergriffe
Wohin solche Hetze führt, war am 8. März zu beobachten. Zwei 20- und 21-Jährige jagten Menschen mit Migrationshintergrund, rassistische Parolen rufend, über den Bahnhof Lichtenberg. Im Anschluss verletzten sie einen anderen Migranten mit einer zerschlagenen Bierflasche. Die beiden Männer aus Berlin-Mahrzahn waren bereits einschlägig wegen rassistischer Taten bekannt.
Am gestrigen Mittwoch wurde das Rollo von dem im Weitlingkiez ansässigen „Interkulturellen Bildungszentrum“ mit einem Hakenkreuz besprüht.
Rechtspopulistische Konkurrenz
Nicht nur Neonazis versuchen, aus der Tat der Jugendlichen für sich Kapital zu schlagen. So verteilten mehrere Leute in Lichtenberg Wahlwerbung für die rechtspopulistische Partei „Die Freiheit“ sowie ein rassistisches Flugblatt des islamfeindlichen Internetblogs „PI-News“. Die Lichtenberger Ortsgruppe von „Die Freiheit“ gab bekannt, bei ihrem zweiten Treffen sei „das Verbrechen vom 11.02.2011 im Lichtenberger U-Bahnhof (…) natürlich auch ein Thema“ gewesen.