Wahlkampfauftakt in der „Reichshauptstadt“

Weiträumig sperrte die Berliner Polizei am vergangenen Samstag die Umgebung der Max-Taut-Schule im Bezirk Lichtenberg ab. Die neonazistische NPD hatte an diesem 15. Januar ihre Anhänger zum Wahlkampfauftakt des Landesverbands und zur Fusionsfeier geladen. Den Weg zur Nutzung der Aula musste sich die Partei freiklagen, da sich die Schulleitung bis zuletzt vehement gegen eine Nutzung durch die NPD wehrte.

 
Parteichef Udo Voigt am 15. Januar 2011 in Lichtenberg

Am frühen Nachmittag postierten sich junge, in schwarz gekleidete Männer mit Ordnerbinden im Eingangsbereich der Schule und beobachteten die in Sicht- und Hörweite stattfindenden Gegenproteste – unter ihnen auch der stellvertretende Landesvorsitzende der NPD, Sebastian Schmidtke. Währenddessen baute Jan Sturm, NPD-Bezirksverordneter aus Neukölln, in der Aula die Bühnentechnik auf und unterstütze die Neonazi-Liedermacherin Karin Mundt – die wenig später einen Gastauftritt hatte – bei ihrem Soundcheck.

Mit Verspätung eröffnete die Lichtenberger NPD-Politikerin Manuela Tönhardt die Versammlung und begrüßte die rund 150 Gäste, unter ihnen Parteiprominenz der Landtagsfraktionen aus Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Auffällig wenige Kameradschaftsanhänger und Autonome Nationalisten fanden den Weg in die Aula, das Publikum setzte sich hauptsächlich aus Führungskadern, deren Frauen sowie älteren Parteimitgliedern zusammen.

Kampf um die „Reichshauptstadt“

Mit den Worten: „Ich darf Sie heute alle hier, als Landesvorsitzender der NPD, in der Reichshauptstadt ganz herzlich begrüßen“, trat Uwe Meenen an das Rednerpult und äußerte seine Freude darüber, dass seine Partei, die sich im Wahlkampf nicht verstecken werde, die Nutzung der Aula einklagen konnte.

Als weitere bekannte Redner traten neben den Landtagsabgeordneten Holger Apfel (Sachsen) und Udo Pastörs (Mecklenburg-Vorpommern), der Bundesvorsitzende Udo Voigt, sein neuer Stellvertreter Matthias Faust sowie Hans Püschel auf.
Letzterer ist Bürgermeister einer kleinen Gemeinde in Sachsen-Anhalt und wird als Parteiloser bei den Wahlen im März in seinem Bundesland für die NPD antreten. Noch vor wenigen Wochen war Püschel, den Meenen als „einen wirklichen deutschen Bürgermeister“ bezeichnete, Mitglied der SPD. Seine Kandidatur für die NPD möchte der umstrittene Politiker, als „Zeichen für die Demokratie“ verstanden wissen.

„[…] die Dame war weder groß, noch war sie deutsch, eine polnische Jüdin die es geschafft hat, durch eine Scheinheirat, hier in Deutschland Aufenthaltsrecht zu erlangen und die völlig zurecht überwiegend im Zuchthaus war […]“.

NPD-Landesvorsitzender Uwe Meenen über Rosa Luxemburg, die am 15. Januar 1919 ermordet wurde

Zwischen den Reden wurde mit einem symbolischen Akt die Fusion zwischen NPD und DVU begangen: zwei Fahnenträger liefen in den Saal und stellten ihre mit den Logos der beiden Parteien bedruckten Banner neben dem Rednerpult ab, was das Publikum mit „Hoch die nationale Solidarität“-Sprechchören bejubelte.

Altbekannte Kandidaten

Uwe Meenen stellte auch einen Teil der Kandidaten vor, die auf der Landesliste für die NPD zur Abgeordnetenhauswahl antreten werden. Neben dem  altbekannten Neonazi Sebastian Schmidtke, der „im Abgeordnetenhaus die Interessen der blutsdeutschen Jugend“ vertreten wissen will, tritt auch der Unternehmensberater und Organisator der extrem rechten „Dienstagsgespräche“ Hans-Ulrich Pieper an. Dessen Nominierung kann als Versuch der neonazistischen Partei gewertet werden, sich rechtskonservativen Strömungen zu öffnen. Der Berliner Landesverband scheint erkannt zu haben, dass der Antritt ausschließlich radikaler Kandidatinnen und Kandidaten, bei steigendem Einfluss rechtspopulistischer Parteien, die NPD in Zukunft Wählerstimmen kosten wird.

Internationale Gäste

Schon zu Beginn der Veranstaltung begrüßte Manuela Tönhardt die österreichischen Gäste Martin Pfeiffer (Chefredakteur der extrem rechten österreichischen Zeitschrift „Die Aula“) und Hemma Tiffner (Verantwortliche des rechtsextremen Blatts „Die Umwelt“) in einem Atemzug mit Kadern wie Jürgen Gansel, Arne Schimmer und Stefan Köster. Die beiden besuchten nicht zum ersten Mal eine rechtsextreme Veranstaltung in Deutschland, bereits im Frühjahr 2009 waren sie Gäste auf dem Neujahrsempfang der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag.

Ein anderer bekannter europäischer Neonazi nahm unauffällig in den hinteren Reihen des Saals Platz. Die Rede ist vom schwedischen Kader Dan Eriksson, einem ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden der „Nationaldemokratisk Ungdom“ (Nationaldemokratische Jugend, NDU), die mit der deutschen JN vergleichbar ist. Eriksson, der zur Zeit in Berlin leben soll, trat in der Vergangenheit schon mehrfach auf Szene-Veranstaltungen in Erscheinung – als Gast und als Redner. Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte er aber beim bekannten „Salem-Marsch“, unweit der schwedischen Hauptstadt Stockholm, wo er neben Udo Pastörs als Redner auftrat.

Symbolischer Akt

Insgesamt sollen laut Parteichef Voigt bisher 842 Mitglieder der wegfusionierten DVU einen Antrag auf Aufnahme in die NPD gestellt haben, wieviele davon aus Berlin kommen erwähnte er nicht. Derzeit sieht es so aus, als ob kein Mitglied des Berliner DVU-Landesvorstands einen Wechsel zum Fusionspartner plant. Wie sehr die Fronten in der Hauptstadt verhärtet sind, verdeutlichte der Austritt des DVU-Landeschefs Torsten Meyer aus der NPD-Fraktion in Lichtenberg vor wenigen Wochen. Aufgrund des Austritts verlor die NPD ihren Fraktionsstatus und damit auch einen Teil ihrer bezirklichen Infrastruktur. Zwar könnte die Mitgliederzahl der NPD, nach vorsichtigen Schätzungen, um rund 200 auf 500 in Berlin steigen, doch weitere Auswirkungen sind nicht zu erwarten. Was bleibt ist der symbolische Charakter.

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