Straßenproteste

Mit Aufmärschen und Kundgebungen inszeniert sich die extreme Rechte im öffentlichen Raum. Nach außen dienen sie der Propaganda, nach innen fördern sie den Zusammenhalt. Seit den 1990er-Jahren hat die Zahl rechter Straßenproteste deutlich zugenommen. Oft stoßen sie auf Gegenwehr, die meist von antifaschistischen Gruppen organisiert wird.

 

1. Dezember 2001, S-Bahnhof Friedrichstraße bis Nordbahnhof, Mitte: Neonazi-Aufmarsch gegen die Wehrmachts­ausstellung

„Unsere Väter waren keine Verbrecher!“ schallt es am 1. Dezember 2001 durch die Straßen in Berlin-Mitte. Rund 3.500 extreme Rechte protestieren gegen die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“, die seit einigen Tagen in der Nähe gezeigt wird. Tausende Menschen gehen auf die Straße, um sich den Rechten entgegenzustellen.

Der Protest gegen die Wehrmachtsausstellung ist einer der größten Neonazi-Aufmärsche in Berlin seit 1945. Maßgeblich organisiert wird er von der NPD. Tonangebend sind jüngere Neonazis. Es beteiligen sich aber auch ältere Personen aus allen Bereichen der extremen Rechten. Die Ausstellung, die die von deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg begangenen Verbrechen thematisiert, gilt ihnen als „antideutsche Volks­verhetzung“.

Neonazi-Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung in Mitte am 1. Dezember 2001: An der Demonstration nehmen viele junge Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet und dem europäischen Ausland teil. „Wir verachten euch nicht – für die Ehre der Deutschen Wehrmacht“ ist auf einigen Schildern zu lesen. Die NPD diffamiert die Ausstellung in ihrem Aufruf als „antideutsche Volksverhetzung“. Der positive Bezug zum Nationalsozialismus ist für Neonazis bis heute zentraler Bestandteil ihres Selbst­verständnisses. Die na­tionalsozialistischen Ver­brechen werden geleugnet, relativiert oder gar ver­herrlicht. | Foto: Christian-Ditsch.de

Seit den 1990er-Jahren setzen vor allem die NPD und die Freien Kameradschaften vermehrt auf einen „Kampf um die Straße“. Während es in den Jahrzehnten davor eher wenige Straßen­­proteste gegeben hat, werden nun jede Woche mehrere Neo­­­nazi-­­Demonstrationen organisiert. Auch in Berlin finden regel­mäßig Aufmärsche statt.

Seit 2014 nehmen extrem rechte Straßenproteste im Vergleich zu den Vorjahren deutlich zu. Allein in Berlin wird zeitweise mehrmals wöchentlich mobilisiert. Im Mittelpunkt stehen die Flüchtlingspolitik und eine vermeintliche „Islamisierung“. Damit werden auch Teile des bürgerlichen Spektrums angesprochen. Bei „Nein zum Heim“- oder „Merkel muss weg“-Demonstrationen marschieren Neonazis Seite an Seite mit AfD-Anhängerinnen und Anhängern und rassistischen, vermeintlich „besorgten Bürgerinnen und Bürgern“. Meist gibt es Gegenproteste.

Demonstrationsaufrufe gegen extrem rechte Straßenproteste: In der Regel sind es antifaschistische und antirassistische Gruppen, die sich extrem rechten Straßenprotesten entgegenstellen. ­Bei größeren und langfristig angekündigten Neonazi-Aufmärschen bilden sich aber auch breitere Bündnisse. Neben vielfältigen zivil­gesellschaftlichen Initiativen beteiligen sich dann auch Gewerkschaften, Parteien und andere Organisationen. Mit Störaktionen und Blockaden können Aufmärsche teilweise verhindert werden. | Repro aus dem Bestand des apabiz e.V.

Audioaufnahmen verschiedener extrem rechter Straßenproteste in Berlin

Rede (Auszug) Gerhard Frey – Demonstration gegen die Berliner Mauer, August 1971,
02:53 Minuten

Anlässlich des 10. Jahrestages des Mauerbaus demonstrieren am 13. August 1971 verschiedene extrem rechte Gruppen und Personen in Berlin gegen die deutsche Teilung. Der spätere Vorsitzende der neonazistischen Partei Deutsche Volksunion (DVU), Gerhard Frey, stachelt die Protestierenden mit seiner markigen Rede zu Sprechchören an. | Quelle: apabiz e.V.

 

Rede (Auszug) Maria Fank – NPD-Kundgebung in Ahrensfelde, 1. Mai 2015, 00:43 Minuten

Die Berliner NPD-Aktivistin Maria Fank doziert am 1. Mai 2015 auf einer Kundgebung in Ahrensfelde über den Wert „deutscher Arbeit“ für die „Volksgemeinschaft“. | Quelle: apabiz e.V.

 

Rede (Auszug) Thorsten Weiß – AfD-Kundgebung am Roten Rathaus, 31. Oktober 2015, 01:09 Minuten

Thorsten Weiß sitzt heute für die AfD im Berliner Abgeordnetenhaus. Viele Elemente seiner Rede sind idealtypisch für das Denken der sogenannten Neuen Rechten mit explizit völkisch-nationalistischen Versatzstücken. | Quelle: apabiz e.V.

 

Rede (Auszug) Michael Mannheimer – Bärgida-Demonstration in Berlin-Mitte, 7. Dezember 2015

Im Dezember 2015 spricht Karl-Michael Merkle alias Michael Mannheimer bei Bärgida. Mannheimer ist Autor das islamfeindlichen Blogs PI-News. | Quelle: apabiz e.V.

 

 

Glossar

Mit „Wehrmachtsausstellung“ werden zwei Wanderausstellungen des Hamburger Instituts für Sozialforschung unter der Leitung von Jan Philipp Reemtsma bezeichnet: „Vernichtungskrieg. ­Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ und „Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941–1944“. Die erste wird von 1995 bis 1999 gezeigt. Eine überarbeitete Version ist ab 2001 zu sehen. Die Ausstellungen greifen den Mythos von der „sauberen Wehrmacht“ an. In der Öffentlichkeit sind sie umstritten. An vielen Orten kommt es zu Protesten aus dem ­extrem rechten und teils auch konservativen ­Spektrum.

Freie Kameradschaften: Anfang der 1990er-Jahre werden etliche neonazistische Organisationen verboten. Die Neonazi-­Szene reagiert darauf mit der Bildung von Freien Kameradschaften, einer informellen und nicht so leicht angreifbaren Organisationsstruktur. Bundesweit gründen sich in den Folgejahren über 150 dieser teils sehr aktionistisch ausgerichteten Gruppen.

„Islamisierung“: Seit Mitte der 2000er-Jahre warnen extrem rechte Kräfte vor einer angeblichen „Islamisierung“ der europäischen Nationen. Dahinter steht die rassistische Vorstellung von kulturell homogenen Gemeinschaften, die durch Zuwanderung „überfremdet“ und existenziell bedroht würden. Das Schlagwort wird auch von Konservativen gebraucht, um gegen eine angeblich unkontrollierte Migration nach Europa zu argumentieren.

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