Neues Label, alte Parolen

Rund 500 Personen beteiligten sich am 3. März an der Demonstration „Nein zur GroKo“ durch Berlin-Mitte. Die Veranstaltung unter Mitwirkung von AfD-Mitgliedern und Neonazis zeugt vom Versuch, nach zuletzt sinkenden Teilnehmendenzahlen 2017 bei „Merkel muss weg“ unter neuem Motto die soziale Bewegung von rechts auf den Straßen Berlins weiter voranzutreiben.

 
Neues Label, alte Parolen

Fronttransparent bei "Nein zur GroKo" mit Zitat von Georg Orwell: "Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.". Foto: © Frank Metzger / apabiz

Neues Label, alte Parolen

Einer von mindestens drei Hitler-Grüßen. Foto: © Paul Hanewacker

Neues Label, alte Parolen

Roland Ulbrich (AfD Sachsen) bei der Abschlusskundgebung am Alexanderplatz. Foto: © Frank Metzger / apabiz

Neues Label, alte Parolen

Alexander Kurth und Eric Graziani Grünwald auf dem Lautsprecherwagen. Foto: © Frank Metzger / apabiz

Neues Label, alte Parolen

Uta Nürnberger bei der Auftaktkundgebung am Washingtonplatz. Foto: © Frank Metzger / apabiz

Neues Label, alte Parolen

Heribert Eisenhardt von der AfD Berlin (links im Bild mit Brille und Mütze) Foto: © Paul Hanewacker

Neues Label, alte Parolen

Delegation von "Zukunft Heimat" aus Cottbus. Foto:© Paul Hanewacker

Neues Label, alte Parolen

Gegenproteste Nähe Hauptbahnhof. Foto: © Paul Hanewacker

Neues Label, alte Parolen

Antisemitische Stereotype. "Goyim know" soll zum Ausdruck bringen eine angeblich "jüdische Verschwörung" aufgedeckt zu haben. Foto: © Paul Hanewacker

„Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“, „Frei, sozial, national“ sowie „Ruhm und Ehre der deutschen Nation“ hallte es durch die Straßen von Berlin-Mitte. Es waren knallharte Nazi-Parolen wie diese, die neben den üblichen rassistischen Sprechchören gegen Muslime und Asylsuchende die Außenwahrnehmung der Demonstration dominierten. Passend dazu wurden Schilder mit antisemitischen Illustrationen und vereinzelt Hitler-Grüße gezeigt. Hunderte Gegendemonstrant*innen machten an verschiedenen Stellen am Rand der Demonstrationsroute ihrem Unmut Luft. Zahlreiche Tourist*innen zeigten sich irritiert bis verängstigt. Zwar distanzierten sich die OrganisatorInnen auf Facebook im Nachhinein davon, Hitlergrüße in der Öffentlichkeit (sic!) zu zeigen. In bester Verschwörungsmanier wurde später behauptet, dass „solche Leute gezielt auf patriotische Veranstaltungen geschickt werden, um diese zu diskreditieren“.

Verwundern kann die Teilnahme von Neonazis nicht, hatte doch die Vorläufer-Demonstrationsreihe „Merkel muss weg“ im vergangenen Jahr diese Entwicklung bereits vorgezeigt. Einzig neu am Samstag war das Label. Organisator Enrico Stubbe hatte bereits im Herbst 2017 angekündigt, seine vierteljährliche Demonstrationsreihe unter neuem Motto fortzuführen zu wollen. Als Organisationsstruktur dient weiterhin der mittlerweile eingetragene Verein „Wir für Deutschland e.V.“, dessen alleiniger Vorsitzender Stubbe ist.

Auch bei der Zusammensetzung der erneut rund 500 Teilnehmenden gab es keine Überraschungen: Organisierte Neonazis aus NPD und Kameradschaften zeigten sich in trauter Einheit mit AktivistInnen von Bärgida und „Zukunft Heimat“ aus Cottbus sowie unorganisierten RassistInnen und einzelnen AfD-VertreterInnen. Als RednerInnen traten etwa Uta Nürnberger und Roland Ulbrich auf, die als VertreterInnen der AfD Sachsen angekündigt wurden. Aus dem Berliner Landesverband beteiligten sich Johannes Sondermann und Heribert Eisenhardt.

Einer von mindestens drei Hitler-Grüßen. Foto: © Paul Hanewacker

weitere Einblicke liefert ein Video des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V. (JFDA). Darin sind auch die Schilder mit antisemitischer Bildsprache sowie die gezeigten Hitlergrüße zu sehen.

„….bis dieses System hinweggefegt ist.“

Der äußere Eindruck wurde inhaltlich durch die Redebeiträge bestärkt. Der THÜGIDA- Aktivist und ehemalige Funktionär von Die Rechte in Sachsen, Alexander Kurth, verkündete während der Demonstration im üblichen Duktus, dass seiner Meinung nach die „asoziale und menschenfeindliche Politik […] versagt“ habe. Daraus abgeleitet formulierte er die Drohung[1]:

„Wir werden hier in Berlin, in Kandel, in Cottbus, in Leipzig, in vielen vielen anderen Städten den Protest auch in Zukunft auf die Straße tragen. Und wir werden ihn so lange auf die Straße tragen, bis dieses System hinweggefegt ist.“

Georg Nagel, ehemals PEGIDA Wien, diffamierte bei der Auftaktkundgebung Journalist*innen und Kulturschaffende als „Staatsparasiten“, die seiner Meinung nach davon „leben […] zu lügen und zu hetzen“. Er prophezeite, diese hätten „Angst, dass sie jetzt richtig arbeiten gehen müssen, wenn auch hier in Deutschland die Große Wende kommt“. In seinen weiteren Ausführungen definierte Nagel seine völkisch-rassistische Vision:

„Die Frage ist, wie wir die Grenzen komplett dicht machen. Und viel mehr als das müssen wir über die Rückführung nachdenken. Wir müssen einen Plan haben, wie wir Multikulti rückabwickeln können. Es ist nichts in Stein gemeißelt. Es ist alles umkehrbar. Jede politische Entscheidung, die kann doch wieder umgedreht werden, glaubt mir das. Es sind eben nicht alle, wie Frau Merkel das gesagt hat, die hier leben, das Volk. Sondern nur wir sind das Volk, und wir sind nicht austauschbar durch irgendwelche Passbürger, durch irgendwelche Scheindeutschen. Wir sind ein einzigartiges Volk, eine Kulturnation und ich als Österreicher, der ich den BRD-Pass weder habe noch möchte, werde an der deutschen Kulturnation immer mehr Anteil haben als irgendein illegal Eingereister, dem man irgendwann die Staatsbürgerschaft [phon.: schenkt]. Wir stehen als gewachsene Kulturgemeinschaft über einem Apparat. Die Staaten wechseln. Die Verfassungen wechseln. Gesetze ändern sich. Aber wir bleiben. Europa bleibt und wir werden gemeinsam dieses Europa verteidigen.“

AfD-VertreterInnen fordern Ende der „Distanzerie“

Uta Nürnberger und Roland Ulbrich positionierten sich in ihren Beiträgen vergleichsweise gemäßigter, stießen jedoch in das gleiche Horn. Nürnberger wurde als Mitglied der sächsischen AfD vorgestellt und hatte als Aktivistin von „Wir lieben Sachsen/Thügida“ in der Vergangenheit wenig Berührungsängste mit Neonazis gezeigt. Ulbrich, ebenfalls AfD Sachsen, ist Vertreter der „Patriotischen Plattform“ und war bereits in der Vergangenheit bei „Merkel muss weg“ aufgetreten. Offensichtlich wollen Nürnberger und Ulbrich ihre Positionen künftig stärker in der Partei einbringen und kandidieren laut Sächsischer Zeitung für den Vorstand der AfD Sachsen, der nach Frauke Petrys Rück- und Austritt in Kürze neu gewählt werden soll. Nürnberger machte bei der Auftaktkundgebung am Washingtonplatz deutlich, dass sie eine allumfassende Einheit der extrem rechten sozialen Bewegung ohne Distanzierungen befürwortet:

„Wir müssen zusammenstehen, das heißt es darf keine Distanzerie zwischen Patrioten und nationalen Kräften sein. Wir haben nur eine Chance. Und wer sich distanziert, hat einfach noch nicht begriffen, dass wir an der Klippe stehen, und dass es um unsern Erhalt unseres deutschen Volkes geht.“

Dass entsprechende Positionen innerhalb der Partei Gewicht haben, verdeutlicht auch der aktuelle Beschluss des Parteikonvents, wonach es AfD-VertreterInnen zukünftig gestattet wird, als RednerInnen bei PEGIDA Dresden aufzutreten. Auch Roland Ulbrich vertritt diese Position und forderte bei der Abschlusskundgebung am Alexanderplatz von seiner Partei:

„Alte Zöpfe der Political Correctness abschneiden, die Unvereinbarkeitsbeschlüsse zurechtzustutzen und sinnlose Parteiordnungsverfahren einzustellen. Allen Parteien, allen Patrioten muss in unserer AfD eine Heimat gegeben werden, damit sie dem Anspruch gerecht wird, die deutsche Volkspartei zu werden. In meiner letzten Rede hier habe ich mich ja dafür ausgesprochen, das „Deutschlandlied“ wieder in allen drei Strophen als unsere Nationalhymne einzuführen. Mit diesem möchte ich jetzt schließen.“ (Fehler im Original)

Vor einigen Wochen hatte der Rechtsanwalt Ulbrich den Berliner AfD-Abgeordneten Kay Nerstheimer vor Gericht vertreten. Nerstheimer hatte auf Facebook Schwule als „degenerierte Spezies“ und „widernatürlich“ beschimpft und war deshalb wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Ulbrich setzte dem Urteil entgegen, Nerstheimer habe „biologisch argumentiert“ und bezeichnete dessen Äußerungen als „wissenschaftliche Positionen“, die diskutiert werden müssten. Gegen das Urteil wurde Revision angekündigt.

  1.  Dieses wie die folgenden Zitate sind Transkriptionen von Audioaufnahmen entnommen, die das apabiz im Rahmen der vom Berliner Senat durch das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus geförderten Dokumentationsarbeit erstellt hat. Die Materialien liegen dem apabiz vor.
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