Joliba – ein Ort der Begegnung

Im Jahr 2014 kamen durchschnittlich 50-100 Klient_innen monatlich in das Joliba-Beratungszentrum. Die An­gebote wurden mit kleineren Beträgen aus der Tagesspie­gel-Spendenaktion, dem Paritätischen und der Stiftung Pfefferwerk finanziell unterstützt und durch das ehren­amtliche Mitarbeiter_innen-Team aufrechterhalten. Vier weitere Versuche des Bezirks, über Programme wie den Netzwerkfond oder Aktionsräume plus eine finanzielle Förderung für die Arbeit mit den Flüchtlingen des Joliba e.V. zu sichern, scheiterten an der politischen Gemenge­lage in Berlin.

 

Ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist die Vernetzung und die Aktivierung der nachbarschaftlichen Begegnung. 2013 hatte Joliba im Auftrag des Bezirks und mit einer kleinen Finanzierung durch das Grünflächenamt eine Informati­onsaktion im Görlitzer Park durchgeführt mit dem Ziel, die Afrikaner_innen im Park zu erreichen. Neben der Kontakt­aufnahme ging es darum, sie auf die Situation im Park auf­merksam zu machen und Dealer_innen – wenn nötig – zu einem veränderten Verhalten zu motivieren. So wurde dar­um gebeten, keine Kinder und Jugendlichen anzusprechen und auf andere Parknutzer_innen Rücksicht zu nehmen. Des Weiteren sollten diejenigen, die interessiert waren, auf die unterstützenden Angebote des Joliba aufmerksam gemacht werden. Dies sind die Sozialberatung, Begleitung zu Institutionen, Deutschkonversationskurse, PC-Einfüh­rungen und anderes mehr. Die Info-Kampagne wurde nach der ersten Phase von vier Monaten Dauer leider nicht fort­gesetzt, da weder Bezirk noch die Senatsverwaltung für In­tegration und Migration sich in der Lage sahen, die nötige Finanzierung bereit zu stellen.

Die Arbeit von Joliba heute

Der Betrieb des Joliba-Center wird weiter geführt und die nachbarschaftliche Vernetzung weiter ausgebaut. Men­schen zusammen zu bringen war immer unser Ziel. Jetzt bringen wir vornehmlich Deutsche und zugereiste Men­schen aus dem Bezirk (manche haben auch einen etwas weiteren Weg) mit Flüchtlingen und Migrant_innen zu­sammen. Das Angebot ist ein Sprach-Kultur-Tandem: während die einen lernen, Deutsch zu sprechen, lernen die Tandempartner_innen etwas über die Erfahrungen und die Kultur der/des anderen. In der Nähwerkstatt, deren Einrichtung vom QM-Wrangelkiez gefördert wurde, und im NähCafé am Donnerstag lernen Menschen aus dem Kiez und Migrant_ innen einander kennen. Dazu gibt es leckeres Essen aus Vietnam, Tunesien oder Afrika und manchmal auch aus Deutschland. Wöchentlich melden sich freiwillige Helfer_innen beim Verein; dies zeigt, dass es ein großes Interesse in der Zivil­gesellschaft für den Austausch mit Flüchtlingen gibt und der Wunsch besteht, Hilfe anzubieten.

»Lachen und ein kurzes Gespräch am Mittagstisch verbinden und führen manch­mal zu mehr und intensiverem Austausch.«

Beratung und Begleitung

Die Arbeit der Sozialberatung besteht überwiegend dar­in, die Flüchtlinge und Migrant_innen beim Einfinden in die deutsche Gesellschaft zu begleiten und auf den Wegen durch den undurchschaubaren Bürokratie-Dschungel zu unterstützen. Bei dieser Arbeit begegnet ihnen oft direkter oder latenter Rassismus. So begleitete ein Joliba-Helfer beispielsweise eine junge Frau aus dem Kongo zum Jugendamt. Sie war Zuhau­se ausgezogen und brauchte Unterstützung in Form einer betreuten Wohngemeinschaft oder sonstigen Unterkunft. Zunächst wurde sie vom Sozialarbeiter des Jugendamtes freundlich und auf Deutsch beraten. Doch nachdem er mit ihrem kongolesischen Pass zum Kopieren aus dem Zim­mer gegangen war, änderte er seine Haltung. Nun führte er die Beratung ohne Anlass in Englisch weiter – was auch deshalb keinen Sinn macht, da die Amtssprache im Kongo Französisch ist. Und als die Klientin heftig aus Verzweif­lung zu Weinen begann, sagte er an den Begleiter gewandt: »So sind alle Afrikaner! Sie heulen los, wenn sie nicht be­kommen, was sie wollen.«

Ein anderes mal begleitete ein Joliba-Helfer einen westafrikanischen Klienten zu einer Wohnungsbesichti­gung in Neukölln. Es war ein Besichtigungstermin verein­bart worden. Als sie klingelten, öffnete ein älterer Herr, der den weißen Begleiter schon einlassen wollte, bis er den Afri­kaner wahrnahm. Jetzt sagte er unwirsch und an den Be­gleiter gerichtet: »Die Wohnung ist bereits vergeben, auch für Sie«. Doch bei der nächsten Wohnungsbesichtigung kam es noch heftiger. Diesmal hatte der Begleiter zufällig eine kleine Minora in der Hand, die ihm eine Freundin gerade geschenkt hatte. Als die Wohnungsmaklerin diese sah, be­gann sie herumzuschreien: »Ein N… und ein Jude, was soll das? mit Euch Juden bin ich fertig!« Nach einem längeren Ausbruch fing sie sich, entschuldigte sich sogar und zeigte ihnen die Wohnung. Den Schock über ihre erste Reaktion konnte dies jedoch keinesfalls mindern.

Unsere Erfahrung zeigt, dass die Klient_innen auf diese Situationen, die offensichtlich der Alltag für sie sind, erstaunlich gelassen reagieren. Häufig sagen sie:
»Jetzt strenge ich mich erst recht an, um zu zeigen, dass es absurd ist, mich nicht als Menschen zu behandeln.« Sie bieten Gespräche an; im Fall der Maklerin hat der Afri­kaner sogar angeboten, sie einmal zum Essen einzuladen und für sie zu kochen, damit sie seine Kultur kennenlernt. Sie scheinen eine große Hoffnung in sich zu tragen, die Deutschen überzeugen zu können, dass sie gute Mitbürger sein werden und einen wertvollen Beitrag zu dieser Gesell­schaft leisten können.

Herausforderungen

Trotzdem hinterlassen diese Erfahrungen auch ihre Spuren. Nach langjähriger vergeblicher Konfrontation mit offenem oder verdecktem und strukturellem Rassismus werden die Menschen traurig und wütend. Die junge Frau aus dem ers­ten Beispiel wollte zunächst Anzeige gegen den Jugendamts­mitarbeiter erstatten und wir hätten sie dabei auch unter­stützt, aber dann erschien es ihr doch zu viel Stress, den sie nicht wirklich ertragen könnte. Und so wird die Arbeit des Beratungsteams oft durch die Depressionen und schwe­ren Enttäuschungsgefühle der Klient_innen erschwert, die durch deren Rassismuserleben verursacht werden.

»Die Kolleg_innen halten durch, weil sie darauf vertrauen, dass es dem Joliba gelingen wird, die Arbeit auf ein festeres finanzielles Fundament zu stellen.«

Sie sind extrem motiviert und setzen sich individuell für die Klienten_innen ein. Damit sie kein burnout riskieren, haben wir die jeweiligen Einsatzzeiten auf zwei mal drei Stunden pro Woche festgelegt. Trotzdem arbeiten sie alle auch zusätzlich zu diesen Zeiten. Das soll jedoch nicht Überhand nehmen, damit es nicht zu einer zerstörerischen Selbstausbeutung kommt. Die Aufwandsentschädigungen unserer Mitarbeiter_innen liegen zwischen 150 Euro und 300 Euro und wenn wir am Monatsende nicht genug Geld haben, warten sie geduldig, obwohl alle dieses Geld drin­gend benötigen. Diese Beschreibung soll helfen zu verstehen, wie es dem Joliba e.V. gelingt, ohne eine Regelfinanzierung oder andere Unterstützung aus öffentlichen Töpfen ein breites funktionierendes Angebot aufrecht zu erhalten. Leider ist dies nur eine temporäre Notlösung. Denn wir müssen jedes mal, wenn die kleinen Projektgelder nach einigen Mona­ten ausgeschöpft sind, die Leistungen der professionellen Sozialarbeiter_innen herunterfahren oder vorübergehend einstellen. Um dieses grundsätzliche Problem zu lösen, mussten wir auch grundsätzlich umdenken.

Perspektiven

Wir können nicht auf einen Wandel der politischen Situ­ation warten. Der Gegensatz zwischen Senat und Bezirk wird sich so schnell nicht ändern. Wir können die politi­sche Willensbildung nicht beeinflussen, da wir nicht über eine geeignete Lobby-Kraft verfügen. Das heißt die Nicht-­Regierungsorganisationen der afrikanischen Community werden in Berlin nicht mit öffentlichen Mitteln gefördert, da sie sich im Verteilungskampf um die knappen Mittel nicht durchsetzen können. Die wirtschaftlich starken Teile der afrikanischen Community in Deutschland sind noch nicht weit genug entwickelt, um die eigene soziale Community finanziell und ideell zu stützen. Hier liegt jedoch ein zukünftiges größeres Potential, da die weltweite Bewusstwerdung der schwarzen Community, in Form von Kunst, Mode, Film, Medien sowie die gesellschaftspolitischen Diskussionen dazu führen werden, dass sich auch in Deutschland eine gesellschaftspolitisch verantwortlich handelnde Gruppe von Menschen mit afrikanischen Wurzeln herausbildet.

Joliba wird seine Arbeit in der bisherigen Form nur fortführen können, wenn es gelingt, die Arbeit durch eine stabile finanzielle Basis zu stützen, die Arbeit des bishe­rigen Teams auskömmlich zu entlohnen und das Team durch engagierte neue Mitarbeiter_innen zu erweitern, die zusätzliche Kompetenzen einbringen. Wir wollen nicht, dass Joliba die soziale Arbeit mit den Migrant_innen, Flüchtlingen und der Nachbarschaft einstellt; dann bliebe nur die Bildungs- und Kulturarbeit des Joliba sowie der Familienhilfebereich erhalten. Das Joliba-Zentrum aufzugeben, hieße auf eine ein­geführte und funktionierende Infrastruktur für die Afrikaner_innen und die interkulturelle Community in Berlin zu verzichten. Und es hieße, in einem Kiez, in dem die aktuel­len Veränderungen eher Menschen mit mehr Einkommen bevorteilen, einen Ort verschwinden zu lassen, der für alle zugänglich und offen ist. Joliba stellt im Wrangelkiez ein wichtiges soziales Ange­bot dar, einen Ort, an dem sich Menschen begegnen, den sie für eigene Aktivitäten nutzen können und vieles mehr. Nutzer_innen, Mitarbeiter_innen und das nachbarschaftliche Umfeld möchten Joliba erhalten.

Neue Wege für Joliba

Wir mobilisieren zivilgesellschaftliche Kräfte, die sich den Erhalt des Joliba wünschen. Durch Spendenaufrufe, Events und Aktionen wollen wir auf die Situation des Joliba auf­merksam machen und für Unterstützung werben. Seit wir diese Aktionen im vergangen Jahr begonnen haben, sind ca. 5.000 Euro eingeworben worden. Das heißt wir haben Unterstützer_innen in Berlin und Deutschland, wir müs­sen sie aber noch besser erreichen. Die Arbeit des Joliba e.V. soll durch traditionelle und durch soziale Medien weiter bekannt gemacht werden. Wir suchen größere Kooperati­onspartner für einzelne Projekte und für das Joliba-Center. Diese Partner können Joliba e.V. durch ihre starken Struk­turen und mit Logistik unterstützen und damit unsere In­halte fördern. Joliba tritt 2015 mit dem Ziel an, in den kom­menden drei Jahren eine Finanzierung der Projektarbeit zu erreichen. Joliba hat ein fantastisches Team von engagierten Menschen, die sich intensiv in das Projekt einbringen. Als Leitung möchten wir uns hier einmal ganz herzlich bei unserem Joliba-Team bedanken, für die Ausdauer, für das Vertrauen und die herzliche Wärme, die Jede und Je­der in das Projekt Joliba investiert. Wir sind dankbar für diese tolle Erfahrung. Joliba will Veränderung bewirken. Um auch nur zu versuchen Probleme wie Armut, Ausgren­zung, Rassismus und Ignoranz zu verändern, benötigen wir einen langen Atem, aber vor allem auch großen Mut und Optimismus. Oft wird uns mangelnde Ernsthaftigkeit unterstellt, wenn wir Kreativität, Kunst oder auch spielerische Elemente in unsere Arbeit einsetzen, doch an den Ergebnissen lässt sich der Erfolg dieser Mittel ablesen.

Joliba ist ein interkulturelles Beratungs- und Begegnungszen­trum am Görlitzer Park, das seit 19 Jahren Angebote für afri­kanische Flüchtlinge und Migrant_innen sowie interkulturelle Familien konzipiert und durchführt.

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