Rechtsextreme Infrastruktur unter Druck

Das Engagement gegen rechtsextreme Infrastrukturen in Berlin war im Jahr 2013 durchaus erfolgreich. Treffpunkte der Rechtsextremen wurden gekündigt, bei vielen rückt der Tag ihrer Schließung näher. Der Beitrag beschreibt die aktuellen Entwicklungen mit Bezug auf die Objekte, die derzeit bekanntermaßen vom aktionsorientierten Spektrum der rechtsextremen Szene in Berlin genutzt werden.

 

Bedeutung rechtsextremer Infrastruktur

Die Jugendorganisation der NPD, Junge Nationaldemokraten (JN), widmete sich im Herbst 2012 in ihrer Zeitschrift »Der Aktivist« dem Thema »Nationale Zentren und Objekte«. Darin formulierte der JN-Bundesvorsitzende Andy Knape die Bedeutung rechtsextremer Infrastruktur wie folgt: »Nationale Objekte sind Knotenpunkte unserer Agitation und damit Schaltzentralen unserer politischen Arbeit, da durch sie eigene Milieus und Strukturen abseits von zivilgesellschaftlichen Organisationen geschaffen, und unter Umständen gesellschaftspolitische Räume besetzt werden können.« Rechtsextreme betrachten ihre Infrastruktur als eine wichtige organisatorische Basis für ihre politische Handlungsfähigkeit. In solchen Räumen finden die ideologische Identitätsbildung und die Politisierung vor allem junger Menschen statt. Aus diesen Räumen heraus wollen sie politisch Einfluss nehmen und ihre Aktionsspielräume erweitern. Welche Strategien der Raumaneignung verfolgte die rechtsextreme Szene in Berlin? Und wie erfolgreich war sie damit? Die Kampagne zur Schaffung eines »nationalen Jugendzentrums« stellt ein zentrales Thema für das aktionsorientierte Spektrum der Rechtsextremen in Berlin dar. In den Folgejahren gelang es ihnen Objekte anzumieten und damit eigene Treffpunkte und »Frei-Räume« zu schaffen.

Rechtsextreme Raumaneignung in Rudow

Im Rudower Ostburger Weg mietete 2010 ein Rechtsextremist einen Raum in einem ehemaligen Bunker an, der für ein gutes Jahr als Treffpunkt für Rechtsextreme diente. Hier feierten sie gemeinsam und lagerten auch Wahlkampfmaterialien der NPD. Der Vermieter kündigte den Vertrag als er über die politische Organisierung seines Mieters informiert wurde. Dass ein rechtsextremer Treffpunkt eine erhöhte Bedrohung für Menschen bedeutet, die nicht ins rechtsextreme Weltbild passen, zeigt sich an folgendem Beispiel, das mit diesem Treffpunkt zusammenhängt: Nach der letzten Feier im Bunker am 29. Oktober 2011 befanden sich vier Rechtsextreme auf dem Heimweg. Als sie im U-Bahnhof Rudow an einem Imbiss vorbeikamen, griffen sie zwei Angestellte mit Migrationsgeschichte mit Flaschen und Pfefferspray an und verletzten diese erheblich. Dabei grölten sie rassistische und volksverhetzende Parolen, wie der Online-Dienst »Blick nach Rechts« berichtete.

Ende 2012 wurde in Rudow ein weiterer Raum durch ein Mitglied der rechtsextremen Szene angemietet. Ein Grundstück an der Stadtgrenze zu Brandenburg fungierte nun als Treffpunkt. Bekannt wurde die Existenz eines solchen Ortes im Mai 2013 durch die Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Grünen-Abgeordneten Clara Herrmann im Berliner Abgeordnetenhaus (Drucksache 17/11683). Der Senat bezeichnete das Objekt dort als »Jugendzentrum Neukölln«, das ausschließlich von Rechtsextremen genutzt werde. Der genaue Ort wurde jedoch nicht genannt. Die Zivilgesellschaftlichen in Rudow und Neukölln hatten bis dato keine Kenntnis von diesem rechtsextremen Treffpunkt. Die Bekanntgabe beunruhigte die Engagierten, welche sich seit vielen Jahren gegen rechtsextreme Dominanzbestrebungen im Süden Neuköllns einsetzen und ein erneutes Erstarken rechtsextremer Strukturen befürchteten. Als bekannt wurde, dass Polizei und Innenverwaltung den genauen Ort aus »ermittlungstaktischen Gründen« sowie »Sicherheitsgründen« nicht nennen würden, schrieben die zivilgesellschaftlichen Initiativen »Aktionsbündnis Rudow« und »Bündnis Neukölln« dem Berliner Polizeipräsidenten einen Offenen Brief. Darin kritisierten sie die »Desinformationspolitik« der Behörden, die es ihnen unmöglich mache, gemeinsam mit der Nachbarschaft gegen eine Verfestigung von rechtsextremen Strukturen aktiv zu werden. Ihr Unverständnis und ihren Ärger formulierten die Initiativen in dem Schreiben recht deutlich: »Wenn wir erst wieder dann tätig werden können, wenn wir es bereits wieder mit einer etablierten rechten Infrastruktur zu tun haben, ist die Arbeit von Jahren beschädigt und gleichzeitig stellt es für viele antifaschistisch Engagierte, die ihre Zeit für die Demokratie einsetzen, ein Schlag ins Gesicht dar.«

„Der Senat bezeichnete das Objekt dort als »Jugendzentrum Neukölln«, das ausschließlich von Rechtsextremen genutzt werde. Der genaue Ort wurde jedoch nicht genannt.“

Die Antwort des Polizeipräsidenten erhielten die Bündnisse nach fast vier Monaten. Herr Kandt berichtet darin von der Kündigung des Mietvertrages und beschrieb aus Sicht der Polizei, dass eine konkrete Gefährdung der Nachbarschaft »nicht ersichtlich« sei. Die Rechtsextremen würden ihren Treffpunkt »konspirativ« nutzen und eine Außenwirkung sei »unerwünscht«. Aufgrund dieser Einschätzung sowie mit Verweis auf den Datenschutz und mögliche Sachbeschädigungen rechtfertigte der Polizeipräsident die Nicht-Nennung des konkreten Ortes. Wenige Tage später wurde der Ort dennoch bekannt: Der NPD-Funktionär Jan Sturm nannte in einem Facebook-Bericht den Namen der Familie und bedankte sich bei ihr für die Bereitstellung des »Jugendzentrums«. Recherchen der »taz« führten zu einem kleinen Gewerbehof auf dem die genannte Familie eine Gartenbaufirma betreibt, in deren Räumen sich die Rechtsextremen trafen. Im Umfeld dieses Objektes fand im Sommer ein Putzspaziergang statt, auf dem Engagierte rechtsextreme Aufkleber entfernten. In der Nachbarschaft wurde die Anwesenheit der Rechtsextremen durchaus registriert, zumal die Polizei den Treffpunkt regelmäßig beobachtete. Verschiedentlich wurde geäußert, dass die Polizei auf den Vermieter einwirkte und dieser schließlich zum Oktober 2013 die Kündigung aussprach. Rückblickend muss jedoch festgehalten werden, dass dieser Treffpunkt Rechtsextremen temporär ermöglichte, sich zu versammeln, soziale Kontakte zu pflegen, gemeinsam zu grillen und von dort ausgehend Propaganda wie NPD-Wahlplakate in der Umgebung zu verbreiten. Wie Augenzeugen berichteten, trafen sich hier mitunter bis zu 20 Personen – auch junge Erwachsene mit Kindern.

Rechtsextreme Infrastruktur in Schöneweide und Lichtenberg

In Schöneweide ist die rechtsextreme Szene mit dem Verlust von zwei Objekten konfrontiert. Das Lokal »Zum Henker« hat die Brückenstraße nach fünf Jahren verlassen. Diese Entscheidung traf das Landgericht Berlin am 14. Februar 2014. Hier fand eine Vielzahl von Veranstaltungen der rechtsextremen Szene statt. Mitunter trafen sich Mitglieder unterschiedlichster rechtsextremer Gruppierungen: Aktivist/innen verbotener Kameradschaften, »Autonome Nationalisten« sowie NPD-Funktionär/innen. Im vergangenen November stellte der ehemalige NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt im »Henker« sein neues Buch vor. Aktuell verkünden verschiedene Medien außerdem, dass der NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke sein Ladengeschäft »Hexogen« in der Brückenstraße aufgeben will. Hier verkauft Schmidtke rechtsextreme Kleidung und Musik ebenso wie Teleskopschlagstöcke oder Reizgas. Sein Wunsch, sich eine tragfähige ökonomische Struktur in Schöneweide zu schaffen, scheint gescheitert zu sein. Auch der Mietvertrag für das »Hexogen« wurde nach der Eröffnung im Sommer 2011 gekündigt. Vor Gericht war der Vermieter jedoch mit seiner Räumungsklage nicht erfolgreich. Die vielen gegen Rechtsextremismus Engagierten in Treptow-Köpenick werden die Aufgabe des »Hexogen« und die Kündigung des »Henkers« mit großer Erleichterung und Freude aufnehmen. Mit langem Atem und vielfältigsten Aktionen hatten sie sich in den vergangenen Jahren gegen diese zwei Objekte der Rechtsextremen in der Brückenstraße engagiert.

Im November 2013 endete die juristische Auseinandersetzung um den rechtsextremen Treffpunkt in der Lichtenberger Lückstraße mit einem Vergleich: Die Mieter/innen werden das ehemalige Gardinengeschäft Ende Mai 2014 verlassen. Über ihren Verein »Sozial engagiert in Berlin e.V.« hatten sich die Rechtsextremen im März 2011 in die Räume im Weitlingkiez eingemietet. Im Verein finden sich rechtsextreme Aktivist/innen, von denen einige bereits wegen schwerer Straftaten verurteilt wurden. Seither diente ihnen dieses Objekt als Versammlungs- und Veranstaltungsort, Materiallager und Ausgangspunkt für ihre Aktionen.

Fazit und Handlungsmöglichkeiten

Im Jahr 2013 bzw. im Frühjahr 2014 verlor die rechtsextreme Szene in Berlin für sie wichtige Treffpunkte. Räume, in denen sie sich in den vergangenen Jahren relativ ungestört und sanktionsfrei versammeln konnten, stehen nun nicht mehr zur Verfügung. Das wird die rechtsextreme Szene organisatorisch schwächen. Wie nachhaltig diese Niederlagen sein werden, wird sich erst in Zukunft beschreiben lassen. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen jedoch, dass Rechtsextreme versuchen werden, sich neue Objekte anzueignen. Auch steht ihnen weiterhin die NPD-Bundesparteizentrale in Köpenick als Infrastruktur zur Verfügung und in einigen Sozialräumen haben Rechtsextreme kein Problem, sich regelmäßig in Kneipen zu treffen. Trotz der berechtigten Freude sollten alle Engagierten weiterhin wachsam verfolgen, welche erneuten Anstrengungen die rechtsextreme Szene unternimmt, sich Räume anzueignen. Vermieter/innen von (Gewerbe-) Räumen können sich präventiv gegen rechtsextreme Infrastruktur schützen. In Kooperation mit einem Juristen hat die MBR Klauseln entwickelt, die vor der Etablierung rechtsextremer Wirtschaftsunternehmungen und Treffpunkte schützen. Die MBR empfiehlt deren Aufnahme in (Gewerbe-) Mietverträge. Durch diese verpflichten sich beispielsweise Mieter/innen von Ladenflächen, keine Produkte, Modemarken und Accessoires zu verkaufen, die in der Öffentlichkeit mit einem Bezug zur rechtsex-tremen Szene wahrgenommen werden. Betreiber/innen von Gaststätten ist darin die Durchführung von Veranstaltungen mit rechtsextremen, rassistischen und antisemitischen Inhalten untersagt. Die Klauseln finden sich in der MBR-Publikation »Ladenschluss Jetzt!«.

Auch drei größere Wohnungsbaugesellschaften werden diese Klauseln demnächst in ihre Gewerbemietverträge aufnehmen. Dieses Vorhaben ist Teil einer lokal integrierten Strategie gegen rechtsextreme Dominanzbestrebungen in Schöneweide, welche der »Berliner Beirat für Schöneweide« verfolgt. In diesem Gremium engagieren sich u.a. das Bezirksamt Treptow-Köpenick, die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, das lokale Zentrum für Demokratie mit Beratung und Begleitung durch die MBR. Die Intervention gegen rechtsextreme Infrastruktur sollte sich aber nicht allein auf das Mietrecht beziehen. Vielmehr sollte eine politische Auseinandersetzung die juristische ergänzen. Eine enge Zusammenarbeit und ein abgestimmtes Vorgehen von Vermietenden, antifaschistischer Zivilgesellschaft, demokratischer Politik und Verwaltung stellt ein wichtiges Erfolgskriterium für die Abwehr von rechtsextremer Infrastruktur dar. Durch eine gemeinsame Kommunikation kann gegenseitiges Vertrauen aufgebaut und Synergien erzeugt werden. Damit stoßen unterschiedliche Protestformen eher auf Verständnis; gemeinsame Straßenfeste oder Putzspaziergänge erreichen eine breite Beteiligung.

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) bietet Allen Beratung und Unterstützung an, die sich in Berlin gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und für Demokratie engagieren. Das gilt vor allem für Menschen, die in ihrem direktem Wohn-, Arbeits- oder sozialen Umfeld mit Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus konfrontiert sind. Gemeinsam mit den Engagierten vor Ort sucht die MBR nach Lösungen, um rechtsextremer Ideologie und deren Erscheinungsformen entgegenzutreten. Die MBR stärkt die lokalen demokratischen Akteure und unterstützt sie bei ihrem Engagement für eine gelebte demokratische Kultur. Geleitet von dem Ansatz »Hilfe zur Selbsthilfe« und der Überzeugung, dass die Herausforderungen mit den Menschen vor Ort besprochen und gelöst werden müssen, versteht sich die MBR als Impulsgeberin, Moderatorin, Unterstützerin und Begleiterin. Ziel ist es, dass die lokalen Akteure handlungssicher den Problemen entgegentreten können. Die Lösungsstrategien der MBR sind auf Nachhaltigkeit und Langfristigkeit angelegt.

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