Die »Filmbühne am Steinplatz« liegt im Berliner Ortsteil Charlottenburg, nicht weit vom Kurfürstendamm. Wer als Gast in dem ehemaligen Kino, in dem sich nun ein Restaurant und Veranstaltungsräume befinden, die Toilette betritt und die Plakate des SO 36 und der Kreuzberger Kiezwirtschaft »Südblock« an der Wand sowie die dort ausliegenden schwul-lesbischen Magazine sieht, rechnet nicht mit dem, was dort vor einigen Wochen vor sich ging.Die »Filmbühne am Steinplatz« liegt im Berliner Ortsteil Charlottenburg, nicht weit vom Kurfürstendamm. Wer als Gast in dem ehemaligen Kino, in dem sich nun ein Restaurant und Veranstaltungsräume befinden, die Toilette betritt und die Plakate des SO 36 und der Kreuzberger Kiezwirtschaft »Südblock« an der Wand sowie die dort ausliegenden schwul-lesbischen Magazine sieht, rechnet nicht mit dem, was dort vor einigen Wochen vor sich ging.
Den Einlass für den 80 Personen fassenden, separaten Veranstaltungsraum in der »Filmbühne« regelte eine bekannte NPD-Funktionärin. Das Publikum bestand aus gut gekleideten, vor allem älteren Personen. Einige trugen Jägertrachten. Deutlich war der Männerüberschuss. Der Veranstalter Hans-Ulrich Pieper, Historiker, Unternehmensberater und einer der umtriebigsten Organisatoren für Treffen der extremen Rechten in Berlin, begrüßte viele Gäste mit Handschlag und schirmte die Veranstaltung gegen Neugierige ab. So ganz schien dem Wirt in der »Filmbühne« nicht entgangen zu sein, wer sich da im Hinterraum traf. Im für jedermann einsehbaren Belegungsplan stand für die Veranstaltung der Eintrag »Pieper«. Für den März war bereits eine Veranstaltung mit dem Titel vorgemerkt: »Faschismus-Stammtisch«.
Die Veranstaltungsreihe »Dienstagsgespräch« scheint nun also in der »Filmbühne« beheimatet zu sein. Sie findet an jedem zweiten Dienstag im Monat statt. Mittlerweile firmiert sie zudem unter dem Titel »Diskurs + Dialog – Gesprächskreis auch für politisch nicht korrekte Kommunikation«. Adressaten sind »Führungskräfte der Wirtschaft, der Medien, Verwaltung und der Streitkräfte«. Die Treffen sollen »dem besseren Kennenlernen in ungezwungener Atmosphäre dienen«.
Man fühlt sich an die DDR-Krimiserie »Das unsichtbare Visier« aus den Siebzigern erinnert. In ihr spioniert der DDR-Geheimagent Werner Bredebusch, gespielt von Armin Müller-Stahl, im Milieu der westdeutschen Altnazis, Revanchisten und Industriellen, die sich, vom Antikommunismus getrieben, in Deutschland Macht verschaffen wollen. Die Soldaten, Rüstungsunternehmer und Nazis sind hinter den Kulissen bestens vernetzt und verfolgen ihre Interessen.
Pieper, 1948 geboren, studierte in Westberlin und schloss sich früh extrem rechten Gruppierungen wie dem Nationaldemokratischen Hochschulbund an. Als Mitglied der antikommunistischen »Vereinigung 17. Juni« und der NPD-Tarnorganisation »Freiheitliche Studentengruppe e. V.« pflegte er engen Kontakt zu CDU-Mitgliedern um den damaligen Landesvorsitzenden des Ostpolitischen Deutschen Studentenverbandes. Pieper fiel Zuträgern ostdeutscher Geheimdienste auf, wie eine Notiz belegt, die dem Antifaschistischen Infoblatt vorliegt. Dort heißt es: »Pieper gehört weiterhin zum engsten Kern der Rechtsradikalen in Berlin.« Vermerkt wurden zudem angebliche Kontakte zur CDU.
Pieper machte Karriere in der Wirtschaft, so wurde er Sprecher des Waffenkonzerns Rheinmetall. In den späten achtziger Jahren versuchte er sich bei den Republikanern. In den Neunzigern beteiligte er sich am Versuch, die FDP zu unterwandern. 2001 trat er als Kandidat der Republikaner in Erscheinung. Einem Journalisten sagte Pieper 2009 zudem, er sei einst Referent des CDU-Politikers Kurt Biedenkopf gewesen.
Die Liste bisheriger Teilnehmer, die Pieper den Einladungsschreiben für das »Dienstagsgespräch« anfügt, ist stattlich. Offiziere wie der ehemalige KSK-Kommandeur Reinhard Günzel sind ebenso zu finden wie Privatbankiers, Botschafter und ehemalige Minister verschiedener Staaten. Der ehemalige Vizepräsident des Bundeskriminalamts, Gerhard Köhler, findet sich in einer Reihe mit dem rechtskonservativen Politikwissenschaftler Hans-Helmut Knütter. Auch Paul Lattusek wird erwähnt. Er war bis 2001 Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen. Nach einer strafbaren den Holocaust relativierenden Äußerung musste er dieses Amt abgeben. Prinz Philip Kiril von Preußen, der Urenkel von Kaiser Wilhelm II., wird ebenfalls aufgeführt. Er hatte sich zuletzt über die Affäre von Christian Wulff geäußert und gefordert, Deutschland müsse zur Monarchie zurückkehren. Auch rechte Hardliner aus der CDU wie Heinrich Lummer und René Stadtkewitz sowie aus der FDP etwa Jürgen Möllemann finden sich auf Piepers Liste. Aus benachbarten Staaten konnte er namhafte Politiker der extremen Rechten wie Jörg Haider für einen Besuch gewinnen.
Ab Mitte des vergangenen Jahrzehnts wurden die Referenten allerdings immer weniger prominent. Es handelte sich vor allem um die üblichen Redner der extremen Rechten wie den Journalisten Ivan Denes, das ehemalige Mitglied des Europaparlaments Harald Neubauer oder den Historiker Ernst Nolte. Auch der NPD-Politiker Holger Apfel nahm teil. Vor der Bundestagswahl 2009 gab es beim »Dienstagsgespräch«, das Pieper im Ratskeller Schmargendorf ausrichtete, eine »Elefantenrunde der Rechten«. Auf dem Podium warben der damalige NPD-Vorsitzende Udo Voigt und der letzte DVU-Vorsitzende Matthias Faust um die Gunst des Publikums. Es war die vorletzte Veranstaltung von Pieper im Ratskeller Schmargendorf. Dieser gehört dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Nachdem bekannt geworden war, welche Art von Veranstaltungen in den Räumen stattgefunden hatte, holten sich Bezirkspolitiker Hilfe bei der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. Pieper durfte die Räume nicht mehr nutzen.
Er machte aber weiter. Zwischendurch wurde er einer der Spitzenkandidaten der NPD für die Wahl zum Abgeordnetenhaus 2011. Er sollte bürgerliche Wähler im Westteil der Stadt ansprechen. Das Ergebnis blieb mit 2,2 Prozent der Stimmen in seinem Bezirk Spandau jedoch eher bescheiden. Fortan beschränkte Pieper sich wieder darauf, die »Dienstagsgespräche« zu veranstalten.
Am zweiten Dienstag im September musste er jedoch auf einen prominenten Gesprächspartner verzichten. Der britische Holocaustleugner David Irving wollte in Berlin auftreten, an einem geheimgehaltenen Ort nahe dem Kurfürstendamm. Die Veranstaltung fand jedoch ohne Irving statt, ihm wurde die Einreise untersagt. Der Holocaustleugner ließ aber per Telefonschaltung über den Organisator ein Grußwort an das Auditorium ausrichten. Im Internet hatte Irving zuvor Pieper als Veranstalter genannt.
Dieser Artikel erschien zuerst in Jungle World Nr. 2, 9. Januar 2014