Zur Situation von Geflüchteten in Berlin – Entwicklungen im Jahr 2013

Im Jahr 2013 ist die Zahl Geflüchteter, die in Deutschland einen Asylantrag stellten, im Vergleich zum Vorjahr merklich angestiegen. Ihre Situation ist durch eine Vielzahl von Problemen in unterschiedlichen Lebensbereichen geprägt. In Berlin drehte sich die Diskussion um die Art der Unterbringung und die Einhaltung von Mindeststandards in neu geöffneten Notunterkünften.

 

Laut Statistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurden 2013 in Deutschland insgesamt 127.023 Asylanträge gestellt, 109.580 davon waren Erstanträge. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Zuwachs um 69,8%. Die größten Gruppen kamen dabei aus der Russischen Föderation, aus Syrien, Serbien, Afghanistan, Mazedonien und dem Iran. Mehr als ein Drittel aller gestellten Erstanträge entfällt auf die drei erstgenannten Herkunftsländer.(1)

Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien

In der Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen (KuB) haben im letzten Jahr besonders häufig Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien und Flüchtlinge aus Syrien Unterstützung gesucht. Zur ersten Gruppe zählen viele Roma, die in ihren Ländern verfolgt werden. Da Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien seit 2009 zu den so genannten »Positivstaaten« zählen, dürfen deren Staatsangehörige visumsfrei nach Deutschland einreisen und sich hier drei Monate lang legal aufhalten. Stellen Roma aus diesen Ländern in der Bundesrepublik einen Asylantrag, wird dieser meist als »offensichtlich unbegründet« abgelehnt, wie Bernd Masovic, stellvertretender Geschäftsführer von PRO ASYL, in einem Bericht zur Menschenrechtslage in Serbien darlegt.(2) Die Ausländerbehörden gehen pauschal davon aus, dass in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens keine Verfolgung stattfindet. Es ist zwar prinzipiell möglich, dies im Einzelfall zu widerlegen, doch nur wenige Asylbewerber_innen können in der Kürze des Verfahrens die nötigen Beweise hierzu vorlegen. Dass die Menschenrechtslage in Ländern wie Serbien alles andere als stabil ist, belegen Berichte von diversen Menschenrechtsgruppen. Im Juni 2013 fuhr eine Delegation von 25 Rechtsanwälten, Ärzt_innen, Flüchtlingshilfeaktivisten und Journalist_innen aus Deutschland, Luxemburg und Belgien nach Serbien. In ihrem Abschlussbericht schreiben sie: »Wir haben informelle Siedlungen gesehen, deren »Häuser« nur aus Sperrmüll und Pappe bestanden. Wir haben städtische Roma-Siedlungen gesehen, die seit Jahren nicht ans öffentliche Abwassernetz angeschlossen werden. Immer wieder wurde uns über die Verweigerung der Zuzahlungsbefreiung von Medikamenten für chronisch Kranke berichtet – ein sozialrechtliches Detail von oft lebensbedrohlicher Bedeutung. […] Uns haben Menschen davon berichtet, das sie immer wieder – weil sie als Roma identifiziert wurden – körperlichen Angriffen und Beleidigungen bei rassistischen Übergriffen ausgesetzt sind, und dass eine polizeiliche Strafverfolgung praktisch nicht stattfindet.«(3) Obwohl diese Zustände vielfach belegt wurden, sind in Deutschland aktuell vermehrt Stimmen zu vernehmen, die Roma aus Südosteuropa zu »Armutsflüchtlingen« und »Sozialtouristen« degradieren. Sicherlich treibt diese Menschen auch gravierende Armut zur Flucht. Doch darf nicht vergessen werden, dass diese ein Resultat systematischer Diskriminierung ist. Noch immer haben Roma auf dem Balkan häufig kaum Zugang zu Bildung, zum Arbeitsmarkt und zum Gesundheitssystem. »Viele sind hier ohne Aussicht auf eine langfristige Perspektive«, meint KuB-Mitarbeiter Jonas Feldmann. »Sie dürfen hier weder arbeiten, noch sich weiterbilden. Viele sind froh, dass sie zumindest ihre Kinder zur Schule schicken können.«

Syrische Bürgerkriegsflüchtlinge

Trotz der Abschottungspolitik der Europäischen Union, die syrische Geflüchtete oft entweder direkt in die Türkei zurückschiebt oder sie zumindest an den Außengrenzen der EU festhält, gelangen manche von ihnen bis nach Deutschland. Wer von ihnen nicht durch einen anderen EU-Staat eingereist ist, erhält mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Aufenthaltstitel. Dabei handelt es sich um den kleineren Teil der Menschen, die ihren Weg in die KuB finden. Deutlich schwieriger gestaltet sich die Beratung derjenigen Syrer_innen, die selbst schon lange in Deutschland leben und nun ihre Angehörigen aus dem Krieg nachholen möchten. Konkret gibt es dafür derzeit zwei Wege: Zum einen hat die Bundesregierung im März 2013 erklärt, 5.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Zum anderen haben mehrere Bundesländer – darunter auch Berlin – eigene Aufnahmeprogramme für Syrer_innen verabschiedet. Doch in beiden Fällen hapert es an der Umsetzung: Bis Anfang Dezember 2013 waren nach Aussagen des BAMF nur 1.676 Syrer_innen eingereist. Die meisten von ihnen kamen auf eigene Kosten. Dabei war dieses Kontingent eigentlich dafür vorgesehen, Menschen aus dem Krieg zu retten, die es nicht aus eigener Kraft nach Deutschland schaffen. Viele der Anträge auf Länderebene scheitern außerdem an zu hohen Hürden: Hier lebende Syrer_innen müssen eine Verpflichtungserklärung abgeben, die besagt, dass sie für den Unterhalt ihrer Angehörigen aufkommen. Meist müssen sie dafür ein Gehalt in Höhe von mehreren tausend Euro pro Angehörigem vorweisen. Im Dezember 2013 beschloss die Bundesregierung, ein zweites Kontingent von noch einmal 5.000 Syrer_innen aufzunehmen. Diesmal will sie die Hürden senken. So soll es auch ohne Verpflichtungserklärung möglich sein, Menschen aus Syrien nachzuholen. Es bleibt abzuwarten, auf welcher Grundlage die Ausländerbehörden dann entscheiden werden, wer einreisen darf.

Lampedusa-Flüchtlinge

Eine Gruppe, mit der die KuB im Jahr 2013 häufig zu tun hatte, taucht in der Statistik des BAMF nicht auf: Die so genannten Lampedusa-Flüchtlinge – Menschen, die vor allem aus Afrika über das Mittelmeer nach Europa gekommen sind und in Italien oder Spanien einen Aufenthaltstitel erhalten haben. Doch aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage im Süden Europas erhalten sie kaum Unterstützung und haben wenig Aussicht auf einen Job. Viele leben nur von Almosen und sind gezwungen, in katastrophalen Zuständen auf der Straße oder in Bretterverschlägen zu wohnen. Auf der Suche nach Arbeit ziehen viele weiter nach Norden. Doch fast immer werden ihre Hoffnungen enttäuscht: Da sie bereits in einem anderen EU-Land Asyl beantragt haben, ist ihnen dieser Weg in Deutschland aufgrund des Dublin II-Abkommens verwehrt. Als Tourist_innen dürfen sie sich hier zwar drei Monate lang legal aufhalten, doch sie dürfen weder arbeiten noch Sozialleistungen beziehen und nach dem Vierteljahr rutschen sie in die Illegalität. Um auf ihre Zwangslage aufmerksam zu machen, demonstrierten Lampedusa-Flüchtlinge im vergangenen Jahr auch auf den Straßen Berlins und beteiligten sich an der Besetzung des Oranienplatzes und der Gerhard-Hauptmann-Schule in Kreuzberg. »Es gibt einige wenige, die mit einem unbefristeten Aufenthaltstitel hier arbeiten dürften«, erzählt KuB-Berater Christian Bitto, »doch selbst bei denen muss eine Vorrangprüfung durchgeführt werden: Wenn ein Deutscher oder ein anderer EU-Bürger ihren Job machen könnte, dürfen sie die Arbeit nicht ausüben.« Da viele keine Ausbildung haben, konkurrieren sie mit den Einheimischen um die rarer werdenden unqualifizierten Jobs. Die Arbeitserlaubnis wird ihnen so fast immer verweigert.

Unterbringung

Angesichts der steigenden Zahl von Asylbewerber_ innen ist deren Unterbringung in Berlin zu einem Problem geworden. Nachdem die Asylanträge in den neunziger Jahren stark rückläufig waren, baute das Land Berlin die Wohnheimkapazitäten ab. Nun gibt es eine Überbelegung in den Heimen. Die angespannte Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt erschwert es zudem, Geflüchtete in Wohnungen unterzubringen. Seit 2003 soll dies vorrangig geschehen, da diese Art der Unterbringung das Land deutlich weniger Geld kostet und für die Geflüchteten eine große psychische Entlastung bedeutet. Beide Entwicklungen führten zusammengenommen dazu, dass das Land mit den steigenden Flüchtlingszahlen momentan völlig überfordert ist. Zu spät und zu unentschlossen wurden Maßnahmen in die Wege geleitet, um Wohnheimkapazitäten zu erhöhen und mehr Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund richtet Berlin seit einem Jahr im Eilverfahren Notunterkünfte ein. Die vorgeschriebenen Mindeststandards für Unterkünfte werden hier regelmäßig unterschritten – eine Tatsache, die der Berliner Senat in seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Piratenpartei eingestanden hat. (4)

Aufgrund der Engpässe der letzten Jahre hat sich das zuständige Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) zunehmend darum bemüht, neue Träger für Flüchtlingsheime zu finden. Neben karitativen Trägern wie der AWO und der Caritas drängen in letzter Zeit auch viele private Betreiber – meist Immobilienfirmen – auf den Markt. Gegen diese Firmen wurden im letzten Jahr Vorwürfe laut: Initiativen wie die Deutschkursgruppe Multitude in Grünau oder die Initiative Neue Nachbarschaft in Moabit kritisierten unzureichende Wasch- und Kochgelegenheiten, mangelnde Kinderbetreuung und fehlende Beratungsangebote in den zwei Heimen, die von den Firmen Gierso und PeWoBe betrieben werden. In beiden Fällen wurden die Aktivist_ innen von der Heimleitung vor die Tür gesetzt, als sie mit ihrer Kritik an die Öffentlichkeit gingen. (5) Trotz der anhaltenden Kritik von Bewohner_innen und Unterstützer_innen entschied das LaGeSo erst nach massivem medialen Druck, in den Heimen regelmäßige Kontrollen durchzuführen. Schlimmer noch: Bald kam heraus, dass es das LaGeSo bei mehreren neu gegründeten Unterkünften lange Zeit versäumt hatte, schriftliche Verträge abzuschließen. (6) Statt einklagbaren Schriftsätzen gab es hier nur mündliche Absprachen und Aktennotizen – das Land lieferte sich der Willkür der Betreiberfirmen aus. (7) Das ist umso bedenklicher, als private Firmen oft deutlich höhere Tagessätze für die Versorgung der Geflüchteten erhalten als karitative Träger. (8)Trotz der mittlerweile eingerichteten Notunterkünfte gibt es in Berlin nach wie vor nicht genügend Unterbringungsmöglichkeiten und eine Entspannung der Situation ist nicht in Sicht. Auch privat angemietete Wohnungen schaffen keine Abhilfe – obwohl diese das Land deutlich weniger kosten als die Notunterkünfte, wie der Flüchtlingsrat vorrechnet. Nachdem vor einigen Jahren ein Großteil aller Geflüchteten in Wohnungen untergebracht wurde, leben nun wieder fast 50 Prozent von ihnen in Sammelunterkünften. (9) Auf dem freien Markt ist die Lage wegen der allgemein großen Nachfrage nach Wohnraum ziemlich angespannt. »Es gibt einfach zu wenig verfügbare Wohnungen, für deren Miete die Verwaltung nach den entsprechenden Vorschriften aufkommen würde,« sagt Jonas Feldmann, »für die Betroffenen ist das wirklich frustrierend.«

Dabei hat das LaGeSo schon vor zwei Jahren einen Vertrag mit den städtischen Wohnungsunternehmen abgeschlossen, um ein Kontingent von 275 Flüchtlingswohnungen bereitzustellen. Doch dieses Kontingent wird nicht erfüllt. Woran das liegt, ist nicht ganz klar. Es könnte mit einer ineffizienten Verwaltungspraxis des LAGeSo zu tun haben. Braucht das Amt zu lange, um Mieter_innen zu finden, vergeben die Wohnungsgesellschaften die Wohnungen wohl anderweitig. Außerdem ziehen diese Unternehmen deutsche Mieter_innen oder solche mit gesichertem Aufenthaltstitel vor. Denn im Falle einer plötzlichen Abschiebung bleiben die Unternehmen auf Räumungskosten und Mietausfällen sitzen.

Die Beschulung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen

Laut dem Berliner Schulgesetz (§ 2, Abs. 2, § 41, Abs. 2) haben auch geflüchtete Kinder und Jugendliche ein Recht auf Schulbildung, doch in der Praxis sieht es häufig anders aus. Dann fehlen beispielsweise Schulplätze in den umliegenden Grundschulen eines neu eröffneten Wohnheims, die die Eltern direkt aufsuchen können. Wenn die jeweilige Grundschule keinen freien Platz habe, »dann müssten die Verantwortlichen eigentlich zum Hörer greifen und den Eltern helfen«, meint Walid Chahrour vom Betreuungs- und Beratungszentrum für junge Flüchtlinge und Migranten (BBZ). Doch das geschehe häufig nicht. Trotz entsprechender Weisungen der Senatsverwaltung stellen die Bezirke und Schulen die Beschulung von jungen Flüchtlingen nur schleppend sicher. Flüchtlingskinder werden auf Wartelisten gesetzt, die es angesichts der Gesetzeslage eigentlich nicht geben dürfte. Oder es werden Hürden wie amtsärztliche Untersuchungen vorgeschoben. Kinder und Jugendliche warten so oft mehrere Wochen oder sogar Monate auf den ihnen zustehenden Schulplatz. Allerdings kann es auch schon eine Stufe zuvor, in den Heimen, zu Schwierigkeiten kommen. Denn fehlende Deutschkenntnisse, ein bildungsferner Hintergrund der Familien oder deren prekäre Aufenthaltssituation stellen große mentale Hürden für eine Beschulung dar. Dann ist es die Aufgabe der Sozialarbeiter_innen in den Einrichtungen zu helfen. Doch diese leiden nicht selten unter Arbeitsüberlastung. Auch die Jugendämter handeln häufig nicht, obwohl sie dazu verpflichtet sind. Walid Chahrour erkennt darin eine »strukturelle Benachteiligung« der Kinder aus Flüchtlingsfamilien.

Diese werden, so sie einen Schulplatz erhalten, in »Lerngruppen für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse« aufgenommen, besondere Klassen mit einer Anzahl von nur zwölf Schüler_innen. Ein Problem sind jedoch die Kettenumzüge von Geflüchteten, die immer wieder von einer Unterbringung zur nächsten umziehen müssen. Für den Lernfortschritt der Kinder und Jugendlichen ist das natürlich hinderlich. Für ältere Jugendliche stellt sich die Beschulung als noch schwieriger dar. Anders als häufig angenommen, endet die Schulpflicht in Berlin nicht mit dem 16. Lebensjahr, sondern nach Ablauf von zehn besuchten Schuljahren (Schulgesetz § 42, Abs. 4). Man geht davon aus, dass Jugendliche bis zum 20. Lebensjahr einen Schulabschluss machen können. Die meisten Geflüchteten im Alter von 16 bis 18, viele davon Unbegleitete, die ganz auf sich allein gestellt sind, könnten das erreichen. 10 Doch vielen von ihnen wird kein Schulplatz zur Verfügung gestellt. »Die Potenziale dieser Menschen werden außer Acht gelassen«, kritisiert Walid Chahrour. Zugleich ruft er auch Flüchtlingshilfeorganisationen und Beratungsstellen dazu auf, sich aktiv für die Beschulung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen einzusetzen.

Medizinische Versorgung

Auch in Sachen medizinische Versorgung liegt einiges im Argen. Weithin bekannt dürfte sein, dass erkrankte sans papiers von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen sind. Nach § 87 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) ist das Sozialamt verpflichtet, Personen ohne gültigen Aufenthaltstitel bei der Ausländerbehörde zu melden, wenn sie einen Krankenschein beantragen. Dies kann schnell zur Abschiebung führen, weswegen Illegalisierte diesen Weg selten wählen. Das Büro für medizinische Flüchtlingshilfe (Medibüro) fordert daher die Abschaffung des § 87. (11) Immer häufiger melden sich jedoch Geflüchtete beim Medibüro, die zwar über einen legalen Aufenthaltsstatus verfügen, aber dennoch keine oder nur eine unzureichende Gesundheitsversorgung erhalten. Verschiedene Personengruppen sind auszumachen. Zum einen sind da osteuropäische EU- Bürger_innen, darunter viele Roma, die aufgrund der massiven sozialen Benachteiligung über keinerlei Krankenversicherung verfügen. Eine zweite Gruppe sind die Lampedusa-Flüchtlinge. Sie bekommen ebenfalls keine medizinischen Leistungen. Dafür ist der Erstaufnahmestaat zuständig, der dies jedoch oft nicht gewährleistet.

Aus beiden Gruppen finden immer wieder auch schwangere Frauen den Weg in die Beratungsstellen. Sie können in der Regel die Kosten für eine Geburt nicht aufbringen. »Drei Monate vor und nach der Geburt erhalten undokumentierte Frauen allerdings eine so genannte Mutterschutzduldung«, erklärt KuB-Mitarbeiterin Johanna Karpenstein, »und können so in geschütztem Rahmen entbinden.« Nach Ablauf der Duldung tauchen die Frauen häufig wieder in die Illegalität ab. Gleichzeitig sind die vom Medibüro mit kooperierenden Krankenhäusern ausgehandelten Kapazitäten begrenzt und werden vorrangig für Frauen in der Illegalität eingeplant. So kommt es regelmäßig zu Engpässen in der Versorgung. (12) Schließlich suchen auch Menschen das Medibüro auf, die sich im Asylverfahren befinden. Das AsylbLG garantiert nur eine reduzierte medizinische Versorgung bei Schmerzen und akut behandlungsbedürftigen Erkrankungen. Andere medizinische Leistungen müssen nur gewährt werden, wenn es zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich ist. Was genau darunter fällt, ist immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen. So birgt die Nichtgewährung von Blutdruckmedikamenten die Gefahr von gravierenden Spätfolgen. Dennoch muss ihr Einsatz häufig erst erstritten werden.

Die Patient_innen beantragen beim zuständigen Sozialamt einen Krankenschein, mit dem sie dann eine Arztpraxis aufsuchen können. Liegt kein Notfall vor, kann die Bearbeitung des Antrags schon mal mehrere Wochen andauern oder er wird ganz abgelehnt. Besonders chronisch Kranke, die keine starken Schmerzen haben, leiden unter dieser Praxis. »Es kann nicht sein, dass Sachbearbeiter_innen ohne medizinische Ausbildung über die Notwendigkeit einer Behandlung entscheiden«, meint Charlotte Linke vom Medibüro. In einem »taz«-Artikel vom Dezember 2013 weist das Medibüro zudem auf den unhaltbaren Zustand hin, dass »selbstorganisierte Projekte für die Umsetzung des Menschenrechts auf Gesundheitsversorgung verantwortlich gemacht werden.« Eine sinnvolle Maßnahme wäre darüber hinaus, Asylbewerber_innen eine Krankenversichertenkarte auszuhändigen. In Bremen und Hamburg ist das der Fall und diese Praxis geht mit deutlich niedrigeren Kosten im Vergleich zum Berliner Modell einher. (13)

Die  Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen (KuB) e.V. bietet seit 30 Jahren in Berlin kostenlose Beratung zu aufenthalts- und sozialrechtlichen Fragestellungen an. Die KuB vertritt den Standpunkt, dass allen Menschen ein sicherer Aufenthaltsstatus sowie politische, soziale und ökonomische Gleichberechtigung zustehen.

 

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