Rechte Gewalt

Immer wieder kommt es in Berlin zu rechter Gewalt, das Motiv ist meist Rassismus. Dazu gehören Beleidigungen, Bedrohungen, tätliche Angriffe und sogar Mord. Wer nicht in das Weltbild passt, kann jederzeit zum Opfer werden. Das Ausmaß der Gewalt dürfte deutlich höher liegen als offizielle Statistiken vermuten lassen.

 

4. April 1992, Einkaufszentrum am Brodowiner Ring, Marzahn: Tödlicher Angriff auf Nguyễn Văn Tú

Am 24. April 1992 stirbt der 29-Jährige Nguyễn Văn Tú durch einen Messerstich. Zuvor greifen rechte Jugendliche vietnamesische Händlerinnen und Händler an, die vor dem Einkaufszentrum am Brodowiner Ring Verkaufsstände betreiben. Als Tú dazwischen geht, wird er von Mike L. mit einem Messer attackiert. Der Tatort ist gut besucht, dennoch greift niemand ein. Im Krankenhaus erliegt Tú den Verletzungen.

Mike L. gibt sich später als Sympathisant der extrem rechten Partei Deutsche Volksunion zu erkennen. Wegen Körperverletzung mit Todesfolge wird er zu einer Haftstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt. Als Tatmotiv hält das Gericht „Selbstjustiz“ vor dem Hintergrund „fremdenfeindlicher Ressentiments“ fest.

In Berlin sind seit 1990 mindestens zwölf Menschen durch rechte Gewalt ums Leben gekommen. In einigen dieser Fälle kämpfen zivilgesellschaftliche Initiativen für ein würdiges Erinnern. Andere Opfer geraten in Vergessenheit. Von den Behörden werden politische Motive oft jahrelang verneint. Erst 2018 erkennt die Berliner Polizei sieben Todesopfer rechter Gewalt nachträglich an. Zuvor hatte ein Team des Zentrums für Antisemitismusforschung nochmals sämtliche Fälle zwischen Oktober 1990 und dem Jahr 2008 überprüft.

Gedenken an Nguyễn Văn Tú anlässlich dessen 25. Todestages am 24. April 2017 | Foto: apabiz

Diskriminierende Einstellungen beschränken sich jedoch nicht auf die extreme Rechte, sondern sind in der Gesellschaft weit verbreitet und alltäglich. Unablässig werden Menschen bedroht, beleidigt und körperlich angegriffen. Verschiedene Organisationen unterstützen die Betroffenen und dokumentieren das Ausmaß rechter Gewalt in Berlin. Rassismus ist das häufigste Tatmotiv.

 

Flugblatt: SOS Rassismus 1992 | Quelle: apabiz

 

Flugblatt: SOS Rassismus 1992 Rückseite | Quelle: apabiz

 

Glossar

Das 1982 gegründete Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) ist eine interdisziplinäre wissen­schaftliche Forschungseinrichtung an der Technischen Universität Berlin. Das ZfA beschäftigt sich mit Vorurteilen wie Antisemitismus, Antiziganismus und Rassismus.

Aktion Courage e. V. – SOS Rassismus wurde 1992 von Bürgerinitiativen, Menschenrechtsgruppen, Vereinen und Einzelpersonen aus allen gesellschaftlichen Bereichen und politischen Lagern als eine Antwort auf den gewalttätigen Rassismus in Mölln, Solingen, Hoyerswerda und Rostock gegründet.

Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter in der DDR: Mit der Anwerbung von zeitlich befristeten Arbeitskräften aus sozialistischen Bruderländern hatte die DDR bereits in den 1960er-Jahren begonnen. Ende 1989 lebten allein rund 60.000 Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter aus Vietnam in der DDR.

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