Nach der Haft ist vor der Haft: Nur einen Monat nach ihrer Haftentlassung aus der JVA Bielefeld stand die notorische Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck in Berlin erneut vor Gericht. Am 4. Dezember verurteilte das Amtsgericht Tiergarten sie zu einer Haftstrafe von einem Jahr. Der Richter sah es als erwiesen an, dass die 92-Jährige in einem im Frühjahr 2018 online veröffentlichten Video-Interview mit dem als „Volkslehrer“ bekannten Neonazi Nikolai Nerling zum wiederholten Male den Holocaust geleugnet hatte. Am ersten Verhandlungstag stellte Haverbeck noch die haltlose Behauptung auf, nicht gewusst zu haben, dass das Interview veröffentlicht werden sollte. In einer Stellungnahme hatte sie jedoch noch vor Gericht behauptet, Auschwitz sei „kein Vernichtungslager“ gewesen. Der Urteilsverkündung war sie schließlich ferngeblieben.
Anwaltlich vertrat sie Wolfram Nahrath. Dieser ist selbst langjähriger Neonazi-Aktivist und war unter anderem der letzte Bundesführer der 1994 verbotenen Wiking Jugend (WJ) sowie danach in der 2009 verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) und der NPD aktiv. Er tritt bis heute als Redner bei Neonazi-Veranstaltungen auf, zuletzt am 3. Oktober in Berlin. Als Anwalt hatte er u.a. Ralf Wohlleben im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München vertreten.
Zum Prozess gegen Haverbeck waren neben Nikolai Nerling weitere Neonazis und langjährige Weggefährten zur Unterstützung erschienen, darunter Thomas „Steiner“ Wulff und Uwe Meenen sowie der Berliner NPD-Vorsitzende Andreas Käfer. Der bei der Urteilsverkündung anwesende Reza Begi leugnete noch im Gerichtsgebäude vor laufender Kamera ebenfalls unverhohlen den Holocaust. Ursula Haverbeck wird neben anderen Holocaustleugner*innen seit vielen Jahren in der Neonaziszene verehrt. Sie hatte zunächst mit ihrem Mann und nach dessen Tod allein das Collegium Humanum geleitet und war stellvertretende Leiterin des dortigen „Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ (VRBHV) gewesen, bis beide am 7. Mai 2008 verboten wurden.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen #RezaBegi. Auslöser für die Ermittlungen ist dieses Video, aufgenommen während des #Haverbeck-Prozesses am 04.12.20, in dem das JFDA Begis Leugnung der #Shoah dokumentiert. #Volksverhetzung #Antisemitismus https://t.co/k5MPLidA5c pic.twitter.com/smobRbRJHO
— Jüdisches Forum (JFDA e.V.) (@JFDA_eV) December 7, 2020
Während ihres letzten Haftaufenthalts in der JVA Bielefeld hatten Neonazis die Kampagne „Solidarität mit Ursula Haverbeck“ ins Leben gerufen. Nikolai Nerling war einer derjenigen, der öffentlichkeitswirksam für ihre Freilassung sowie für die Straffreiheit der Holocaustleugnung eingetreten war. Er bezeichnet Haverbeck stetig als „die große Kämpferin für Meinungs- und Redefreiheit“. Für die neonazistische Kleinstpartei „Die Rechte“ trat Ursula Haverbeck im Mai 2019 als Spitzenkandidatin zur Europawahl an.