Militaristischer Trauertag

 
„Volkstrauertag“ am 17. November 2019 auf dem Friedhof Columbiadamm in Neukölln. | Foto: apabiz

Anlässlich des „Volkstrauertages“ am 17. November legten erneut militaristische Veteranenverbände auf dem Friedhof Columbiadamm in Neukölln Kränze nieder. Wie in den Vorjahren erschienen Der Stahlhelm, der Traditionverband ehemaliger Schutz- und Überseetruppen – Freunde der früheren Deutschen Schutzgebiete e.V. und die Kyffhäuserkameradschaft Alexander. Beständig sinkt die Teilnahmebereitschaft an diesem Gedenken: Noch vor Jahren hatten sich neben Aktivist*innen der NPD auch Burschenschaften sowie Interessenverbände der Bundeswehr beteiligt.

Berliner Vertreter*innen extrem rechter Parteien und ihrer Jugendverbände führten in diesem Jahr hingegen eigene Gedenkveranstaltungen durch. Der Landesverband der NPD und ihrer Jugendorganisation Junge Nationalisten (JN) veröffentlichte einen Bericht mit zahlreichen Bildern. Sie hatten zunächst einen in Nähe mehrerer Gebäudekomplexe gelegenen Soldatenfriedhof gesäubert, anschließend ungestört Kerzen auf mehreren Dutzend Gräber entzündet und so zumindest lokal ein sichtbares Gedenken inszeniert.

In Stein gemeißelt

Die Berliner Junge Alternative (JA) veröffentlichte ihrerseits ein mit pathetischer Musik unterlegtes Video, das etwa 20 Personen bei einer Gedenkveranstaltung im Raum Berlin-Brandenburg zeigt. Für Aufsehen bis hin zu diplomatischen Verstimmungen sorgte ein im polnischen Bytom nahe Katowice aufgestellter Gedenkstein, der ausschließlich „an die gefallenen deutschen Soldaten im 1. und 2. Weltkrieg“ und an „Selbstschutz- und Freikorpskämpfer“, die an Kriegsverbrechen gegen Pol*innen und Jüdinnen und Juden beteiligt waren, sowie „an die ermordeten und unterdrückten Ostdeutschen“ gedachte. Auch hieran war die JA Berlin beteiligt, wie die Inschrift des nach Interventionen mittlerweile entfernten Steins auswies. Ebenso unter den Finanzierenden gelistet war der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka, der auf Facebook zunächst betonte ihm sei es „eine Ehre, diesen Gedenkstein in Oberschlesien mit ermöglicht zu haben“. Zu dem Projekt, an dem unter anderem auch die NPD-Jugendorganisation Junge Nationalisten (JN) sowie die extrem rechte Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf beteiligt war, schweigt die AfD-Jugend bisher weitgehend. Initiator war Markus Tylikowski in seiner Funktion als Vorsitzender des „Bundes der Jugend der Deutschen Minderheit“ in Bytom gewesen. Der Dachverband distanzierte sich infolge von dieser Aktion und schloss Tylikowski aus dem Verband aus. Seine engen Verbindungen zu AfD und JA werden auch an anderer Stelle deutlich. Für die erste Ausgabe von „Patria – Das offizielle Magazin der Jungen Alternative Deutschland“ war Tylikowski von Vadim Derksen, Vorsitzender der JA-Berlin und Bundestagsmitarbeiter von Protschka, interviewt und darüber hinaus als JA-Mitglied vorgestellt worden. Er berichtet darin ausführlich über ein mehrtägiges Planspiel im Bundestag, an dem er auf Einladung von Protschka teilgenommen hat. Darüber hinaus verfügt Tylikowski offensichtlich auch über persönliche Kontakte zur JN, deren Vertreter Maik Müller er bereits Ende Oktober getroffen und von diesem einen Spendenscheck für den Gedenkstein entgegen genommen hatte.

Auch der selbsternannte „Volkslehrer“, der Neonazi Nikolai Nerling, ließ es sich nicht nehmen, aus Anlass des Volkstrauertages gleich zwei seiner geschichtsrevisionistischen Propagandavideos zu verbreiten. Im Vorfeld des „Volkstrauertages“ rief er Anhänger*innen auf, sich selbst beim Singen des militaristischen Liedes „Der gute Kamerad“ (besser bekannt als „Ich hatt‘ einen Kameraden“) an Kriegsdenkmälern zu filmen und ihm diese Videos zu schicken. Im Nachgang veröffentlichte Nerling wie angekündigt einen Zusammenschnitt dieser Videos.

Auch wenn keine spektrenübergreifenden gemeinsamen Gedenkveranstaltungen mehr in Berlin stattfinden, ist der „Volkstrauertag“ offensichtlich weiterhin ein wichtiger Termin im extrem rechten Veranstaltungskalender.

 

Dieser Text erschien in einer kürzeren Version zuerst als Kurzmitteilung im Rundbrief des apabiz monitor #87.

 

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