24. Mai 2000Dieter Eich wird von vier Neonazis in Berlin-Buch überfallen und ermordet

Faksimile Berliner Zeitung vom 15. November 2000

In der Nacht vom 23. zum 24. Mai 2000¹ ermordeten vier Neonazis aus dem Kameradschaftsmilieu den 60-jährigen Sozialhilfeberechtigten Dieter Eich in dessen Wohnung in Berlin-Buch.

Stunden zuvor waren sie das erste Mal in die Wohnung eingedrungen und schlugen und traten auf ihr Opfer ein, bis dieses das Bewusstsein verlor. Später kehrten sie zurück und töteten Eich mit einem Messer. Erst drei Monate später teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit, dass es sich bei den 17 bis 21-Jährigen um Mitglieder der rechten Szene handele.

Ein politisches Mordmotiv wurde im Prozess negiert. Vielmehr sei der Mord eine „Verdeckungstat“ gewesen, damit Eich die Täter nicht wiedererkennen und anzeigen konnte. In dieser Logik waren die Schläge und Tritte zwar politisch, der anschließende Mord nicht. Aufgrund dieser Einschätzung wurde Dieter Eich bis 2018 staatlich nicht als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt. In einer Stellungnahme des Berliner Innenministeriums von 2011 heißt es in bestem Amtsdeutsch:

„Täter und Opfer waren miteinander bekannt, sie konsumierten gemeinsam Alkohol. Die Anklage schildert den Tatablauf als ,Lust des Einzelnen an der Gewalt‘ und die spätere Tötung als ,Deckungstat aus Angst vor polizeilichen Repressalien‘. Es handelt sich insofern nicht um eine Tat des Phänomenbereichs PMK- rechts.“

Die neonazistische Ideologie mit ihrem Hass auf vermeintlich sozial Schwache dürfte tief im Denken der Angeklagten verankert gewesen sein. Durch die Einschätzung des Gerichts wurde die tödliche Gewalt durch Neonazis erneut bagatellisiert und entpolitisiert. Der Opferfonds Cura forderte diesbezüglich:

„Der Ideologische Kontext der Tat hätte bei Urteilsfindung eine stärkere Berücksichtigung finden müssen, wird doch die Hemmschwelle zum Mord an einem Menschen gesenkt.“

In Gedenken an Dieter Eich organisiert die Initiative „Niemand ist vergessen“ jährlich eine antifaschistische Demonstration oder Kundgebung.

Aktualisierung: Im Mai 2018 veröffentlichten Wissenschaftler*innen des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin eine umfassende Untersuchung der Fälle von Todesopfern rechter Gewalt zwischen 1990 und 2008 in Berlin, aufgrund derer Dieter Eich nachträglich als Todesopfer rechter Gewalt staatlich anerkannt wurde. Diese enthält diverse Schilderungen der untersuchten Gewaltverbrechen. Die Wissenschaftler*innen bezeichnen die Tat als „demonstrative Zurschaustellung aggressiver Männlichkeit im Kontext des rechtsextremen gewalttätigen Milieus.“

Am 24. Mai 2022 wurde am Tatort in der Walter-Friedrich-Straße 52 eine Gedenktafel eingeweiht, die zukünftig an Dieter Eich erinnern soll.

Weitere Presseartikel zum Mord an Dieter Eich und dem anschließenden Gerichtsprozess können im antifaschistischen pressearchiv und bildungszentrum berlin (apabiz e.V.) eingesehen werden.

 

¹ In verschiedenen Publikationen wird auch die Nacht vom 24./25. Mai 2000 als Datum der Tat genannt.

 

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