Einleitung – Die Berliner Zustände 2015

Zum zehnten Mal erscheinen die „Berliner Zustände. Ein Schattenbericht über Recht­sextremismus, Rassismus und Antisemitismus“. Doch der Redaktion ist angesichts der Ereignisse des letzten Jahres nicht wirklich nach feiern zumute – im Gegenteil: Die Situ­ation hat sich im Jahr 2015 noch einmal deutlich zugespitzt, so dass viele Mitarbeiter_ innen in Projekten am Rand ihrer Kräfte und Kapazitäten sind. Der enorme Anstieg rassistischer und antisemitischer Übergriffe bereitet große Sorge und macht manchmal auch hilflos.

 

Rassismus ist wieder im Mainstream angekommen, rassistische Äußerungen sind sa­lonfähig, Projekte und Unterstützer_innen sind zum Großteil mit den täglichen Aufga­ben überfordert. In der Arbeit mit Geflüchteten oder von Rassismus betroffenen Men­schen ist die psychische Belastung bei Unterstützer_innen sehr spürbar. Dies hat sich auch in dieser Ausgabe des Schattenberichts deutlich gezeigt: Viele Autor_innen und Projekte hatten durch den Anstieg der Arbeit keine Kapazitäten einen Artikel zu schrei­ben. Dabei bot gerade das Schreiben eines Textes für die Berliner Zustände vielen Pro­jekten immer auch eine willkommene Phase des Innenhaltens, des Reflektierens und der Analyse: Was hat sich im vergangenen Jahr ereignet? und Wie werden diese Ereignisse eingeordnet?
Zehn Jahre Berliner Zustände bilden auch eine Klammer, die das Engagement in Berlin beschreibt. Der Beginn war im Jahr 2006 in Pankow-Heinersdorf, wo rassistische An­wohnende und Neonazis, den Bau einer Moschee verhindern wollten. Bündnisse aus Zivilgesellschaft, Antifaschist_innen, migrantischen Gruppen, Politik und Kirche ha­ben sich mit langem Atem gegen antimuslimischen Rassismus positioniert und sich für ein Zusammenleben verschiedener Menschen eingesetzt. Im Jahr 2015 engagierten sich Menschen für die Rechte von Geflüchteten. Refugees und Initiativen setzten sich für eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung ein. Sie protestierten am LaG­eSo gegen die katastrophalen Bedingungen, die die Berliner Verwaltung nicht beseitigt. Vor den Flüchtlingsunterbringungen stellten sie sich gegen rassistische Nachbar_innen und Rechtsextreme, die sich zum Teil wöchentlich zu Aufmärschen und Kundgebungen versammeln. Die Redaktion hat das Jubiläum zum Anlass genommen, auf die zehnjäh­rige gemeinsame Arbeit zurückzuschauen. Außerdem stellt der Schattenbericht über das Jahr 2015 die engagierte, langjährige und bedeutsame Arbeit von 14 Berliner Projek­ten vor! Wir freuen uns, dass Heike Kleffner, Journalistin und langjährige Weggefährtin der herausgebenden Projekte sowie der Herausgeber_innen das Vorwort geschrieben hat und bedanken uns herzlich bei ihr. Die Fotos von Timo Stammberger und Oliver Feldhaus zeigen die Situation der Geflüchteten am LaGeSo im letzten Jahr, wir danken den Fotografen für die Bereitstellung dieser aussagekräftigen Bilder!

Geflüchtete in Berlin

Das Kollektiv bildungbewegt schreibt über das Dilemma in der Unterstützungsarbeit und warum es so wichtig ist, das eigene Engagement zu hinterfragen. In Berlin haben sich im letzten Jahr viele Willkommensinitiativen für Geflüchtete gegründet. Drei von ihnen, aus Kreuzberg, Lichtenberg und Moabit haben uns Fragen zur Situation vor Ort und den Bedingungen für Geflüchtete beantwortet. Der Artikel von Joliba portraitiert Mitarbeitende des Vereins und beschreibt ein besonderes Projekt aus dem Jahr 2015. Das Bündnis gegen Rassismus hat einen Reflektierenden und kritischen Bericht über die Bewegung am Oranienplatz und der Gerhart-Hauptmann-Schule geschrieben.

Antisemitismus in Berlin

Das neue Projekt RIAS stellt seine Arbeit vor und berichtet über antisemitische Vorfälle und Angriffe des vergangenen Jahres. Die KIGA fordert Konsequenzen für die politische Bildungsarbeit nach dem 70. Jahrestag der Befreiung und 50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen im Jahr 2015.

Rassismus in Berlin

ReachOut hat uns auch in diesem Jahr wieder die Zahlen des letzten Jahres bereit­gestellt. Diese fnden sich fortlaufend am unteren Rand jeder Seite, sowie aufbereitet am Endes des Heftes. Der Artikel von ReachOut skizziert die vergangenen 10 Jahre im Projekt seit Erscheinen des ersten Schattenberichts und die Veränderungen in der Ar­beit. Seit 4 Jahren arbeitet die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş an eben genau dieser Zielsetzung. Der Bericht prangert das mangelnde Inter­esse der Ermittlungsbehörden an und zeigt auf, welche Zusammenhänge es zum Mord an Luke Holland gibt, der aktuell vor Gericht verhandelt wird. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) beschreibt die Veränderungen ihrer Bera­tungsarbeit im letzten Jahr, auch hier wird deutlich, welche Auswirkungen es hat, dass Rassismus in der Mehrheitsgesellschaft sichtbar geworden ist.

Extrem Rechte Parteien und Strukturen

Das apabiz schreibt über die nicht enden wollenden BÄRGIDA-Demonstrationen. Welche Personen und Gruppen gehen jeden Montagabend auf die Straße und was sind ihre politischen Positionen? Ein entlarvender Bericht über „besorgte BürgerInnen“. Euferates K. berichtet über die neofaschistische Organisation Graue Wölfe in Berlin und deren Übergriffe im Jahr 2015, aber auch welche Gegenstrategien nötig sind, um diese zu verhindern. Das Zentrum für Demokratie in Treptow-Köpenick hat für den Schat­tenbericht die Registerzahlen des Bezirks von 2015 aufbereitet. Paul Liszt schreibt in seinem Artikel „Ein Rauschen wird zum Grölen“ über die Entwicklungen der Montags­mahnwachen, sich abzeichnende Querfront-Ansätze und ihre personellen und ideellen Verbindungen PEGIDA und Co.

Wir bedanken uns bei allen, die mit ihren Artikeln dazu beigetragen haben, dass im Ju­biläumsjahr die Berliner Zustände erscheinen konnten. Wir freuen uns über die interes­santen Beiträge und das kritische Hinterfragen der Zustände in Berlin. Wir danken Bianca Klose für die redaktionelle Mitarbeit. Vielen Dank an Laura Maikowski für das sehr gelungene Layout und die Zusammenarbeit!

Wir wünschen allen Leser_innen eine spannende Lektüre und interessante Erkennt­nisse. Allen Projekten und Personen wünschen wir weiter gutes Durchhalten, Kraft und Erfolge im Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Neonazismus!

Die Redaktion im Mai 2016

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