Dass die angekündigten Kundgebungen der Berliner NPD zum 1.Mai nicht besonders spektakulär werden würden, war absehbar. In verschieden Städten gab es miteinander konkurrierende neonazistische Anmeldungen, die für die aktionsorientierten Neonazis sehr viel attraktiver waren. Zu den beiden Berliner Kundgebungen in Hohenschönhausen und Marzahn kamen dann erwartungsgemäß auch lediglich etwa 50 Neonazis. Die größeren Aufmärsche des Tages fanden unter anderem in Saalfeld/Thüringen mit etwa 700, in Neubrandenburg/Mecklenburg-Vorpommern mit etwa 400 und in Essen/Nordrhein-Westfalen mit etwa 350 Teilnehmenden statt.
Bei der ersten Kundgebung in Berlin stand die sehr überschaubare Menge der Neonazis in einem Käfig an der Falkenberger Chaussee, Ecke Zingster Straße in Hohenschönhausen, es folgten einige Redebeiträge und viel Musik vom Band. Den Nazis gegenüber standen bis zu Tausend lautstarke Antifaschist_innen und sorgten dafür, dass die rassistischen Reden ungehört verhallten. Im Anschluss folgte eine weitere Kundgebung der NPD am Ahrensfelder Platz in Marzahn-Hellersdorf, auch hier demonstrierten bis zu 400 Menschen gegen die etwa 50 Neonazis.
Der völkische Antifeminismus der Maria Fank
Angemeldet wurden beide Kundgebungen durch die NPD-Aktivistin und Landesvorsitzende des Ring Nationaler Frauen (RNF) Maria Fank. Inhaltlich drehten sich ihre Reden, die sie wortgleich auf beiden Kundgebung hielt, um das Thema Familienpolitik. Familie beschrieb sie im bekannten Propaganda-Duktus als Keimzelle des deutschen Volkes. Die Familie sei laut Fanks Ausführungen vom Aussterben bedroht. Schuldige waren schnell gefunden: böse Feminist_innen, Homosexuelle und natürlich Geflüchtete.
O-Ton Maria Fank:
„Früher konnte eine Frau das [Anm. d. R.: die Erziehung] alles noch ihrem Kind selbst geben. Es gab keine Feministinnen, welche eine verwirrte Vorstellung von Gleichberechtigung hatten. Es gab keine gleichgeschlechtlichen Ehen, welche ihre krankhaften Vorstellung von einer Beziehung, von Bindung und Leben an kleinen Kinderseelen weitergeben konnten. Die Deutschen züchten sich regelrecht eine unselbstständige, verdummte Generation heran, eine Generation, welche Hartz IV als eine gute Lösung ansieht.“ [sic!]
[…]
„Wir müssen wieder an die Familien denken, an den Nachwuchs, denn nichts ist so wichtig für unser Volk und unser Land, wie der Erhalt unserer Art.“[…] Das deutsche Volk muss seinen Nationalstolz wieder erlangen um überhaupt vernünftig agieren zu können. Wir müssen uns wieder deutsch fühlen. Wir müssen wieder deutsch leben. Wir sind Deutsche und sollten auch wie Deutsche verhalten. Treue gegenüber unseren Liebsten, Treue gegenüber unseren Idealen, Treue gegenüber unseren Ahnen, Treue gegenüber Deutschland und wenn es auch das Leben kosten mag: Kein Tod wäre ehrenvoller, als dem deutsche Volk und Deutschland gegenüber immer treu gewesen zu sein. Lasst uns geschlossen in eine neue Zeit marschieren, in eine Zeit in welchen Deutschland verdient, Deutschland genannt zu werden.“ [sic!]
Und immer wieder Hetze gegen Geflüchtete
Als weitere Redner traten der Landesvorsitzende der NPD-Brandenburg Ronny Zasowk (auf beiden Kundgebungen), sowie die NPDler Dietmar Tönhardt (in Hohenschönhausen) und Andreas Käfer (in Marzahn) auf. Auch eine Autoladung tschechischer Neonazis war auf den Veranstaltungen anwesend. In allen Redebeiträgen des Tages wurde inhaltlich an die rassistischen Aufmärsche in den Berliner Randbezirken, welche seit Ende Oktober 2014 stattfinden, angeknüpft und Stimmung gegen Geflüchtete gemacht. Rassismus und Hetze gegen Asylsuchende blieb auch an diesem Tag das Hauptthema der NPD.
Auffälig war, dass der Berliner Landesvorsitzende der NPD, Sebastian Schmidtke, bei beiden Kundgebungen fehlte. Schmidtke war als Redner in Mönchengladbach angekündigt. Der Europaabgeordnete der NPD Udo Voigt zog es zum NPD-Aufmarsch nach Erfurt/Thüringen, welcher mit lediglich 150 TeilnehmerInnen, deutlich kleiner ausfiel als erwartet.
Musikbeschallung und juristische Konsequenzen
Als musikalische Dauerbeschallung in der Kundgebungen dienten einmal mehr die Lieder des Berliner Nazi-Rappers Villain051 bzw. seiner Band A3stus. A3stus traten an diesem Tag auf dem NPD-Aufmarsch in Erfurt auf. Gegen A3stus wird derzeit strafrechtlich ermittelt. Am gestrigen 7. Mai gab es in dem Zuge eine großangelegte Razzia gegen die Beteiligten, betroffen waren drei Personen und insgesamt 10 Objekte in Berlin und Brandenburg. Grund der Ermittlungen ist der Vorwurf der Volksverhetzung. Bei der Razzia wurden umfangreiche Beweise wie PCs und CDs der Band beschlagnahmt. Außerdem wurden Zufallsfunde wie Waffen und Amphetamine sicher gestellt.
Eine besondere Provokation am 1. Mai bei der NPD-Kundgebung in Hohenschönhausen war das Abspielen des Songs „Du schreibst Geschichte“ der Band Madsen. Bereits im letzten Jahr benutzte die Thüringer NPD im Wahlkampf den Song der Band sowie zahlreiche andere Songs von ebenfalls explizit nicht-rechten Künstler_innen. Etliche Musiker_innen und deren Management setzen sich dagegen teils erfolgreich zur Wehr. Madsen positionierten sich in der Vergangenheit mehrfach eindeutig gegen Nazis und beteiligten sie sich bei der Jugend-Kampagne des apabiz „Kein Bock auf Nazis“ (hier ein Statement ab 1:50 min).
Hohe Beteiligung bei Gegenprotesten
Die Gegenproteste am 1. Mai erfuhren erfreulich viel Unterstützung. Circa 300 Personen versammelten sich bereits um 11 Uhr am Startpunkt einer antifaschistischen Demonstration am S – Bahnhof Hohenschönhausen und zogen in Richtung des NPD-Kundgebungsortes. Im Laufe der Zeit wuchs der Gegenprotest auf über 1000 Personen an. Auch zur 2. Kundgebung nach Ahrensfelde kamen noch circa 400 Antifaschist_innen. Hier gelang es zeitweise die Zufahrt des NPD-Lautsprecherwagens zu blockieren, wodurch sich die rechte Kundgebung verzögerte.
Das Polizeiaufgebot wirkte unterdessen martialisch. Wie jedes Jahr zum 1.Mai wurde großes Gerät aufgefahren. Mehrere Hundert Polizist_innen waren vor Ort im Einsatz. Wasserwerfer und ein Räumfahrzeug zum Einsatz bereit und Hundestaffeln schüchterten den antifaschistischen Gegenprotest ein. Während in Berlin Polizist_innen aus dem ganzen Bundesgebiet im Einsatz waren, konnten beim Aufmarsch im thüringischen Saalfeld eine große Gruppe Neonazis aufgrund von zu wenig Polizeipräsenz ungestört Gegendemonstrant_innen und Journalist_innen angreifen. Dabei wurden mehre Personen verletzt.