Unter dem Vorwand, auf den Straßen von Hellersdorf herrsche ein „Zustand von Anarchie, der Gesetzlosigkeit“ seitdem eine Mahnwache am Flüchtlingsheim die dort Untergebrachten unterstützt, will der Landesvorsitzender der NPD Berlin, Sebastian Schmidtke, eine Bürgerwehr ins Leben rufen. Ziel sei es, „die LINKEN (sic!) Straftäter unter anti-kriminellen Druck zu setzen“. So steht es in einem Aufruf, der seit heute auf der Seite der Berliner NPD zu finden ist. Ein besonderer Dorn im Auge ist der NPD wohl die LINKEN-Politikerin Petra Pau. Als „Inhaberin des Bundestagsmandates von Marzahn-Hellersdorf“ kümmere sie sich nicht um Deutsche sondern nur um „Fremde“. Freiwillige könnten sich per Email, via Facebook oder auf dem Mobiltelefon von Schmidtke melden.
[Update 17:50 – Die beiden GRÜNEN-Politikerinnen Canan Bayram und Clara Herrmann haben wegen des Vorgangs Strafanzeige erstattet, wie Clara Herrmann via twitter mitteilte.]
„Kiezstreifen“ in Berlin-Neukölln, B.I.S.O.N. für den Grenzschutz
Die NPD hatte schon mehrfach erfolglos versucht, sich mit dem Aufstellen von Bürgerwehren als Fürsprecherin lokaler Bürgerinteressen ins Gespräch zu bringen. Anfang 2006 wurde die Aktion der Berlin-Neuköllner NPD bekannt, in der High-Deck-Siedlung sogenannte „Kiezstreifen gegen Kinderschänder“ aufzustellen. Dies wurde mit Flugblättern bekannt gemacht. Parteimitglieder sollten mit einer weißen Armbinde kenntlich gemacht werden und sich „als Ansprechpartner unentgeltlich bereit stellen“, wie es in einem Artikel der Parteizeitung Deutsche Stimme hieß. Tatsächlich sollten die „Kiezstreifen“ wohl auch Personenkontrollen durchführen und Männer nach ihrer Identität befragen. Diese Aktion wurde vom damaligen Innensenator von Berlin, Erhart Körting, wegen Amtsanmaßung unterbunden. Die NPD verzichtete daraufhin auf die Streifen und forderte im Zuge einer Unterschriftenaktion kleinlaut mehr Polizeistreifen, „wenn Bürgerengagement schon unterbunden wurde.“
Ein weiteres Beispiel wurde im Mai 2008 in der Deutschen Stimme beschrieben, das auf einer Initiative des NPD-Kreisverbandes Niederschlesien-Oberlausitz beruhte. Im Rahmen einer Aktionswoche sei ein Bürgermobil durch Dörfer und Gemeinden der sächsischen Grenzregion unterwegs, um u.a. eine „Sensibilisierung wegen der Grenzkriminalität“ zu erreichen. Ein eigens neu geschaffener Arbeitskreis „Bürgerinitiative Sicherheit Oberlausitz Niederschlesien“ (B.I.S.O.N.) wolle das Bürgermobil nutzen, um „Tag und Nacht für die Sicherheit der Bürger“ zu sorgen.
Die Situation in Hellersdorf
Diese Ankündigungen von Bürgerwehren durch die NPD sind vor allem medienwirksam, in allen Fällen folgte kein registrierbares Engagement vor Ort. Sie gehören zu den Versuchen der NPD, selber im Bereich der „Inneren Sicherheit“ tätig zu werden, indem sie halluzinieren, sie könnten den „Schutz der Bürger“ gewährleisten. Eine angebliche „Schwäche des Staates“ oder dessen vermeintliches Desinteresse, die Rechte der Bürger_innen zu schützen, wird zum Anlass genommen, Selbstjustiz zu fordern und die Rolle der Exekutive auf der Straße einzunehmen.
Wenngleich die NPD Berlin derzeit hauptsächlich mit Wahlkampf beschäftigt ist, so waren auch abgesehen von den angemeldeten Kundgebungen Neonazis einzeln oder in kleinen Gruppen in der Nachbarschaft des Heimes unterwegs. Das Antirassistische Infoportal Hellersdorf berichtet, dass am 26. August 2013 ein Vertrauter Sebastian Schmidtkes die Aktivist_innen der Mahnwache bedrohte: „Sagt eurem Freund, dass er rennen kann“ und „Kommt doch mit, wenn ihr Spaß haben wollt.“ Das Infoportal schreibt: „Die Nazis sind nicht erst seit dem Bezug der Unterkunft in dem Kiez präsent. Sie bedrohen seit Tagen Aktivist_innen, Migrant_innen und Refugees. Kein Tag vergeht ohne Drohungen, Pöbeleien oder Angriffe.“ In dieser Situation kann die Ankündigung der NPD nur als weiterer Eskalationsversuch verstanden werden, dem unbedingt entgegen getreten werden muss.