Asylsuchende werden in Deutschland direkt nach der Antragstellung nach dem sogenannten EASY-Verfahren an die Außenstellen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in den 16 Bundesländern verteilt. Das Verteilungsverfahren wird durch einen Computer anhand der Variablen Wirtschaftsstärke und Einwohnerzahl des Bundeslands sowie Herkunftsland der Asylbewerber_innen durchgeführt.
Für Geflüchtete in Berlin bedeutet dieses Verfahren, dass sie oft direkt nach der Antragstellung in Berlin in einen anderen Teil Deutschlands geschickt werden. Ausnahmen werden in der Regel nur gemacht, wenn nachgewiesen werden kann, dass Mitglieder der Kernfamilie bereits in Berlin leben. Zuweisungen für Berlin bekommen aktuell hauptsächlich Antragsteller_innen aus der Russischen Föderation, Afghanistan, Syrien, Bosnien-Herzegowina, Irak, Iran, Syrien, Vietnam, Serbien und Pakistan. Ihr Asylverfahren wird in Berlin weitergeführt.
Neue Notunterkünfte in den Bezirken
Nach Aufnahme des Asylantrags sind die Antragsteller_innen gesetzlich verpflichtet, sechs Wochen bis drei Monate in der ihnen zugewiesenen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. In Berlin befinden sich diese offiziellen Aufnahmeeinrichtungen in Spandau und Lichtenberg und verfügen über insgesamt 750 Plätze. Aufgrund der gestiegenen Zahl von Anträgen seit dem dritten Quartal 2012 und fehlenden Kapazitäten zur Unterbringung von Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften ist das Land Berlin dazu übergegangen, Notunterkünfte in verschiedenen Bezirken zu eröffnen. Im Februar 2013 gab es neun Notunterkünfte mit Kapazitäten zwischen 20 bis 265 Plätzen. Diese erfüllen aufgrund der meist kurzfristigen Eröffnung und einem Mangel an geeigneten Objekten oft nicht einmal minimale Qualitätsstandards.
Neben den Aufnahmeeinrichtungen und Notunterkünften gibt es weitere 18 Unterkünfte, in denen Geflüchtete langfristig, das heißt oft Monate oder Jahre, untergebracht werden. Laut Statistik des Landesamts für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) lebten Ende Februar 2013 insgesamt über 5000 Menschen in den verschiedenen Einrichtungen Berlins. Die Anzahl der Plätze in den Unterkünften variiert unter den Bezirken. Der Bezirk Lichtenberg nahm etwa 1200, der Bezirk Tempelhof-Schöneberg cirka 800 und Charlottenburg-Wilmersdorf und Spandau jeweils etwa 600 Menschen auf. Bezirke wie Reinickendorf, Steglitz-Zehlendorf und Neukölln nahmen aber nur 100 oder weniger Menschen auf.
Wegen der Existenz der vielen Notaufnahmen ist das Land Berlin bemüht, neue Gemeinschaftsunterkünfte mit längeren Laufzeiten zu eröffnen. Aus diesem Grund wurden allein im Jahr 2012 fast 100 Objekte durch das LAGeSo geprüft, jedoch fast immer von den Bezirken auf der Grundlage baulicher Gründe abgelehnt. Geplante Neueröffnungen von Unterkünften, wie z.B. in Neukölln und Reinickendorf, wurden von Bezirksvertreter_innen der Parteien CDU und NPD genutzt, um rassistische Vorurteile zu schüren und die Bürger_innen aus der Umgebung gegen die Geflüchteten aufzubringen.
Unterbringung in Wohnungen
Seit Anfang 2003 hat sich in Berlin die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen kostengünstiger ist als in den Gemeinschaftsunterkünften. Aufgrund eines Senatsbeschlusses war es den betroffenen Menschen möglich, im Rahmen des Sozialhilfesatzes nach einer eigenen Wohnung zu suchen. Äußerst problematisch war aber, dass zwar die Kosten der Wohnung übernommen wurden, aber in der Mehrzahl der Fälle keine Übernahme der Kaution erfolgte. Diese musste von vielen Mieter_innen selbst aufgebracht werden, was oft zu einem schnellen Scheitern der Wohnungsbewerbung führte. Erst seit Mitte 2012 gibt es hierzu etwas verbindlichere Formulierungen in den Mietkostenübernahmebescheinigungen des LAGeSo und die Übernahme von Kautionen wird geprüft.
Trotz der Verbesserung der sozialrechtlichen Voraussetzungen für Wohnungssuchende ohne festen Aufenthalt bestehen weiterhin große Probleme. Da die Geflüchteten über kein langfristiges Aufenthaltspapier verfügen, bestehen schlechte Voraussetzungen bei den Bewerbungen auf dem freien Wohnungsmarkt. Viele Vermieter_innen schließen diese Gruppe grundsätzlich von Bewerbungen aus, andere bevorzugen im Vergabeverfahren Mietinteressent_innen mit deutscher Staatsangehörigkeit oder sicherem Aufenthalt. Aufgrund der Probleme bei der Wohnungssuche hat das Land Berlin 2011 einen Kooperationsvertrag im Rahmen des Projekts „Wohnungen für Flüchtlinge“ mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften geschlossen. Durch diesen Vertrag soll, neben der Möglichkeit eine eigene Wohnung zu suchen, ein geschütztes Kontingent von jährlich 275 Wohnungen für Geflüchtete entstehen. Bis heute steht aber nicht einmal die Hälfte der vereinbarten Wohnungsanzahl zur Verfügung. Obwohl die Ziele des Projekts nicht erreicht wurden, fehlt es an politischem Druck auf die beteiligten Wohnungsbaugesellschaften zur Schaffung dieses Wohnraums
Unzureichende medizinische Versorgung
Geflüchtete werden in Berlin über das Land Berlin bei der AOK Nordost angemeldet. Sie bekommen pro Quartal einen Krankenschein und können hiermit zu Allgemeinmediziner_innen gehen und von dort auch an Fachärzt_innen überwiesen werden. Die Versorgung findet aber nur eingeschränkt statt, da nur die Behandlung von akuten Krankheiten und Schmerzzuständen durch das Asylbewerberleistungsgesetz abgedeckt sind. Für chronisch kranke Menschen bedeutet dieses einen Ausschluss von der medizinischen Versorgung, falls ihre Krankheiten nicht schmerzhaft sind.
In Bremen und Hamburg wird den Geflüchteten eine normale Chipkarte ohne die oben beschriebenen eingeschränkten Leistungen ausgestellt. Berlin sträubt sich gegen diese Regelung, obwohl das Bremer Modellprojekt nicht nur die Diskriminierung von Geflüchteten in der medizinischen Versorgung minimiert, sondern auch die anfallenden Behandlungs- und Verwaltungskosten deutlich reduziert.
Geldleistungen unterhalb des Existenzminimums
Aufgrund der Kämpfe von Geflüchteten ist das Sachleistungsprinzip in Berlin in den Bezirken schrittweise seit dem Jahr 2003 durch Barleistungen ersetzt worden. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10;1 BvL 2/11) sind die Leistungen ab August 2012 auf ein „menschenwürdiges Existenzminimum“ erhöht worden, welches für alleinstehende oder alleinerziehende Personen einen Betrag von 354€ vorsieht. Dieses Existenzminimum gilt aber nicht für Menschen, die nach Auffassung der Ausländerbehörde die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, meist „freiwillige“ Ausreise oder Abschiebung, selbst zu verantworten haben. Diese Personengruppe muss weiterhin mit Kürzungen von bis zu 137€ leben, da es aus Sicht verschiedener Politiker und Behörden scheinbar keinen Anspruch auf ein generelles „menschenwürdiges Existenzminimum“ gibt. Da aber immer mehr Menschen erfolgreich gegen diese Kürzungen vor dem Sozialgericht klagen, bleibt zu hoffen, dass auch diese Praxis bald der Vergangenheit angehört.
Jonas Feldmann
Jonas Feldmann ist Mitarbeiter der Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und MigrantInnen (KuB) e.V., die seit 30 Jahren in Berlin kostenlose Beratung zu aufenthalts- und sozialrechtlichen Fragestellungen anbietet. Die KuB vertritt den Standpunkt, dass allen Menschen ein sicherer Aufenthaltsstatus sowie politische, soziale und ökonomische Gleichberechtigung zustehen.