Bericht: 48 Neonazis demonstrierten am 13. April in Berlin-Marienfelde – der Aufmarsch geriet zu einer Lachnummer
Während am 13. April in Neukölln eine Antifa-Demonstration mit 800 Teilnehmer_innen unter dem Motto „Zeit zu handeln!“ stattfand, hatte die NPD nur wenige Tage vorher einen Aufmarsch in Marienfelde für fast die gleiche Uhrzeit angemeldet. Das von der Antifa wenig originell übernommene Motto: „Zeit zu handeln!“ wurde wahlweise ergänzt mit dem Zusatz: „Unserem Volk eine Zukunft – Kriminelle Ausländer raus!“ (NW Berlin) oder „Den bestehenden Verhältnissen den Kampf ansagen“ („gegen steigende Benzinpreise, Eurowahn und andere Themen“ – so in einer Pressemitteilung der NPD Berlin am 16.4.2012).
Eselsmasken gegen den Euro
Tatsächlich versammeln sich dann 48 Neonazis in Marienfelde. Am Fronttransparent stehen unter anderem Uwe Meenen (ehemaliger NPD-Landesvorsitzender) und Jan Sturm (NPD Neukölln). Zwei Neonazis tragen Eselsmasken und Schilder mit der Aufschrift „Ich Esel, glaube, dass der Euro uns Deutschen nützt“. Seit 1978 Hamburger Neonazis um Michael Kühnen durch eine solche Aktion den Holocaust leugneten („Ich Esel glaube immer noch, dass in deutschen KZ Juden vergast wurden“) greift die „Bewegung“ immer wieder auf diese Agitpropform zurück (mehr zu den Eselsmasken).
Empörte Nachbarschaft
Der NPD-Aufmarsch wird immer wieder von kleineren Gegenblockaden gestoppt. Durchgehend werden die Neonazis von einer stetig wachsenden Anzahl wütender Anwohner_innen begleitet. Permanent schallt es: „Nazis raus!“. Zuletzt sind es mindestens 300 Gegendemonstrant_innen, viele aus dem Kiez, viele mit migrantischem Background, viele offensichtlich empört darüber, dass die NPD tatsächlich in ihrer Nachbarschaft aufmarschiert ist. Einige waren vorbereitet und haben Trillerpfeifen, Megafon und Schilder, auf denen „Ohne uns!“ steht, mitgebracht.
NPD-Landeschef und Anmelder Sebastian Schmidtke wendet sich in seinen Redebeiträgen immer wieder fast entschuldigend an die Nachbarschaft:
„Bürgerinnen und Bürger von Berlin. Wir möchten natürlich nicht ungern (sic!) ihre abendliche Ruhe stören, aber wir müssen diese Sache tun. Denn es ist eine Pflicht für uns, unserem Vaterland zu dienen, und auch das Beste für unser Vaterland zu wollen. Daher demonstrieren wir genau hier, wo auch bald der Brennpunkt sein kann, wenn es so weitergeht. Noch leben sie hier ruhig und unbescholten. Aber bald werden auch Zustände wie in Neukölln oder Kreuzberg bei ihnen ankommen.“
Die „Bürgerinnen und Bürger“ reagieren mit „Nazis raus!“ und „Scheiß Rassisten!“-Rufen, pöbeln die Nazis ohne Unterlass an. Es vergeht kaum eine Minute, in der man die Worte Schmidtkes ungestört verstanden hätte. Schmidtke fühlt sich in Erklärungsnot:
„Wir als Berliner NPD setzen uns natürlich für den Erhalt aller Völker. Um alle Völker zu erhalten, heißt es aber auch, Multikulti zu beenden. Denn die Vermischung der Völker bedeutet ( ) den Tod für alle Völker […]. Wir fordern natürlich den Erhalt aller Völker, die es gibt. Aber natürlich an dem Ort, wo sie herkommen und wo sie geboren wurden, beziehungsweise wo ihre Herkunft ist. Und damit ist nicht Herkunft gemeint an dem Platz, wo ein ein Inder plötzlich in Deutschland geboren worden ist, sondern wir gehen nach einem sogenannten Blutsrecht. “
Den Protest, – „die Antidisziplin, die beim Pöbel herrscht“ – den Schmidtke wiederholt als gesetzeswidrig bezeichnet, um sich selbst als Vertreter von „Sicherheit und Ordnung“ zu setzen, kommentiert er folgendermaßen:
„Bürgerinnen und Bürger, gucken sie nur, wie ihre schönen Gärten zertreten werden von pöbelnden Menschen, die einfach ihren schönen Rasen zertreten!“ […] „Es ist klar, dass sich niemand traut, momentan mit der NPD mitzudemonstrieren. All dieser Lügenschwindel der sogenannten Dönermorde, und was es da momentan alles gibt, schreckt natürlich ab, mit uns zu laufen. Aber wir als NPD haben mit Sicherheit nichts mit sogenannten Dönermorden, oder was auch immer vom Verfassungsschutz organisiert wurde, zu tun.“
Rhetorischer Notstand
Schmidtke ist auch der Falsche, um den „Bürgerinnen und Bürgern“ die demokratische Seite der neuerdings „seriös radikalen“ NPD zu präsentieren. Viel zu leicht verfällt er in die gewohnte Hetze:
„Bürgerinnen und Bürger von Berlin, es ist endlich Zeit zu handeln. Wir haben arge Probleme, unser Geld überhaupt hier im Lande zu behalten. Hier im Lande wird es für Ausländer und irgendwelche Schuldkultsachen verschwendet, im Ausland wird es in (irgendwelche?) Banken verschwendet, die das Geld eh nur für sich selber nutzen, und für Kinder und Kindeskind ( ). Sie gehen arbeiten, von ihren 2000 Euro brutto bleiben ihnen 1200 übrig, oder 1300, je nach Lohnsteuergruppe, und der der Rest wird von diesen Superpolitikern, die hier im Bundestag sitzen, verbraten. Aber nicht für unsere eigenen Interessen, wie man es denken mag, für Kitas ( ). Nein, es wird verbraten für irgendwelche Sozialschmarotzer, es wird verbraten für Asylbetrüger, es wird verschwendet in alle Welt. Wir zahlen noch immer an Israel haufenweise an Gelder für irgendwelche Sachen, die mal gewesen sind, oder gewesen sein sollen.“
So verliert sich Schmidtke in seinen Ausführungen und zunehmend geht ihm auch die Contenance ab, stattdessen Zynismus und Wiederholungen. Als nach zwei Stunden erst gut die Hälfte der Strecke zurückgelegt ist und eine Zwischenkundgebung stattfinden soll, versucht er es mit Aussitzen und verliest kurzerhand die Ergebnisse der Fußball-Bundesliga – weil die Anwohner_innen sich nicht bereit fänden, seinen politischen Forderungen aufmerksam genug zuzuhören. Schließlich redet doch noch der ehemalige Landesvorsitzende Uwe Meenen und nach letzten Worten von Schmidtke werden die Fahnen eingerollt, die Anlage vom Lautsprecherwagen abgebaut. Ein BVG-Bus steht bereit, um die Neonazis wegzufahren und der Aufmarsch in Marienfelde ist beendet.
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