Ausflug zum Ku’damm – Augenzeugenbericht vom Nazi-Aufmarsch

Am vergangenen Freitagabend, dem 15. Oktober 2010, marschierten rund 60 Berliner Neonazis des sogenannten "nationalen Widerstands" auf dem Kurfürstendamm durch die Westberliner City.

 
"Spontan"-Demonstration von Neonazis am 1.Mai 2010 in Berlin
„Spontan“-Demonstration von Neonazis am 1.Mai 2010 in Berlin

Nachdem sich die TeilnehmerInnen am S-Bahnhof Halensee trafen, lief die Gruppe Richtung Zoo los und gelangte nach rund zweieinhalb Kilometern bis zur Uhlandstr. Dort löste sich die Gruppe nach der Darstellung von nw-berlin.net auf „und die Schergen des Systems liefen ins Leere“. Grund des unangemeldeten Aufmarsches seien „die zahlreichen Repressalien der Demokraten gegenüber der nationalen Bewegung“ gewesen.

„Nationaler Widerstand“: Hitlergrüße und Pöbeleien
Ein Augenzeugenbericht, der „Berlin rechtsaußen“ vorliegt, beschreibt erstmals im Detail, was Polizei und Presse in dürren Worten als „unangemeldeter Aufzug von Rechten“ bezeichneten. In dem Bericht eines auswärtigen Berlin-Besuchers wird deutlich, wie aggressiv und einschüchternd das Vorgehen der Nazis war. Es wurden volksverhetzende Parolen (beispielweise „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“) gerufen und wiederholt der Hitler-Gruß gezeigt. Es wurden PassantInnen bepöbelt, FußgängerInnen „wechselten verängstigt die Straßenseite und rannten davon“.

Nach einem Aufmarsch am 1. Mai diesen Jahres, der ebenfalls über den Ku’damm gezogen war und dem die Presse immer noch das falsche Etikett „spontan“ anheftet, scheinen unangemeldete Aufmärsche zum festen Repertoire der neonazistischen Szene in Berlin zu werden. In den Worten der Webseite nw-berlin: „Da es sich in letzter Zeit als das Beste erwiesen hat, auf demokratische Spielregeln zu verzichten, wurde auf eine Vorabanmeldung verzichtet. Wir entscheiden immer noch selbst, wann und wo wir für Deutschlands Zukunft auf die Straße gehen!“

Warum die Berliner Polizei von dem Aufmarsch überrumpelt wurde, darf überraschen. Aktionen wie diese sind geplant und werden von den auch personell bekannten Strukturen angeleitet. Dies konnte schon für die Aktion am 1. Mai u.a. anhand von E-Mail-Aufrufen nachgewiesen werden. Und von einer zwar unangemeldeten, aber dennoch nicht ungeplanten Aktion spricht nw-berlin selber. Und auch das Mitführen von Fahnen und einem Leittransparent („Eines Tages werden wir uns fürchterlich rächen! – Nationale Sozialisten Berlin“), das nun im Internet präsentiert wird, macht dies deutlich.

Augenzeugenbericht
„Am Freitagabend, dem 15.10.2010, ca. 19:45 Uhr befand ich mich mit einer weiteren Person auf dem Platz parallel zum Ku’damm, an dem sich Siebelstraße und Clausewitzstraße kreuzen (…) wurde die Ruhe plötzlich von lautem Geschreie aus der Ferne unterbrochen. Im ersten Moment dachten wir, dass es sich um eine Gruppe Fußballfans handele, da wir den gerufenen Text nicht verstanden, und beachteten diese nicht weiter. Kurze Zeit später jedoch wurden die Texte deutlicher und ich verstand einzelne Wörter wie „Widerstand“ und „national“. In diesem Moment interessierte mich das ganze Geschehen dann doch etwas und wir bewegten uns über die Clausewitzstraße Richtung Ku’damm.

In dieser Zeit wurden die Parolen immer lauter und wir vernahmen Texte wie „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“, „Hier marschiert der nationale Widerstand“, „A.C.A.B – All Cops are bastards“ und „Anti-Kapitalista“-Rufe. Nun war klar, was hier läuft und der Lautstärke nach zu urteilen, war es eine relativ große Gruppe. Wir näherten uns vorsichtig dem Ku’damm und genau in diesem Moment marschierte eine 60-80 Mann große Gruppe Nazis an uns vorbei.

Die Nazis waren fast alle schwarz gekleidet und liefen schnellen, entschlossenen Schrittes Richtung Olivaer Platz auf dem linken Bürgersteig. Währenddessen skandierten sie immer wieder teils verbotene Parolen. Personen selbst konnten wir nicht erkennen, da die Nazis großenteils vermummt waren und das ganze auch relativ schnell ablief. Ob es ein Frontbanner gab, konnte ich leider nicht erkennen, jedoch gab es einige Fahnen, von denen mir eine komplett schwarze Fahne sowie schwarz-weiß-rote in Erinnerung blieben.

Wir verweilten kurz an der Ecke Clausewitzstr/Ku’damm. Der Aufzug skandierte und agierte relativ aggressiv und recht entschlossen, daher war ein direktes Annähern meiner Meinung nach absolut gefährlich. Mit einem gewissen Sicherheitsabstand folgten wir den Nazis und wurden Zeugen, wie Passanten bepöbelt wurden und mehrfach der Hitlergruß gezeigt wurde. Fußgänger wechselten verängstigt die Straßenseite und rannten davon. Bis zu diesem Zeitpunkt war keinerlei Polizei zu sehen und zu hören. Erst an der Ecke Griesebrechtstr/Ku’damm sahen wir dann die ersten drei Zivilbeamten, die dem Aufzug mit weitem Abstand folgten. In dieser Zeit wurden weiterhin mehrfach verbotene Parolen geschrieen, „gegrüßt“ und gepöbelt.
(…)“

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