Am 3.Oktober tritt Elisabeth Sabaditsch-Wolff in Berlin als Rednerin auf einer Kundgebung der islamfeindlichen „Bürgerbewegung Pax Europa“ auf. In der Ankündigung heißt es, dass in Österreich eine Anklage wegen „Verhetzung“ gegen sie anhängig sei, „weil sie wahrheitsgetreue Aussagen über den Islam gemacht“ habe. Worum geht es bei der Anzeige gegen Sabaditsch-Wolff genau und ist die Anklage wegen „Verhetzung“ in etwa mit der Anklage der „Volksverhetzung“ in Deutschland vergleichbar?
Frau Sabaditsch-Wolff hat in einem Seminar über den Islam, bei dem sie Vortragende für die Politische Akademie der FPÖ war, Aussagen getroffen wie etwa: „Die Moslems lügen uns allen tagtäglich ins Gesicht. Es steht im Koran, dass sie das tun müssen“ oder: „Im Koran steht, dass alle, die den Islam ablehnen, getötet werden müssen. Deshalb töten Muslime“ (zitiert nach „News“ 48/09). Das sind keine wahrheitsgetreuen Aussagen, das ist schlicht Verhetzung. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft auch einen Strafantrag beim Landesgericht Wien eingebracht. Ich gehe fix davon aus, dass es zu einem Strafverfahren kommt. Die Aussagen sind sehr ähnlich wie die von Susanne Winter (jetzt FPÖ-Abgeordnete zum Nationalrat), die rechtskräftig wegen Verhetzung und Herabwürdigung religiöser Lehren verurteilt wurde. In einschlägigen Foren wird deshalb der Justiz ganz offen der Krieg erklärt: „Voriges Jahr kamen die Verräter gegen Susanne Winter durch, so haben sie aus diesem Wahnsinn Methode gemacht. Wir müssen langfristig gegen die Dhimmijustiz in unseren Staaten einen Weg finden.“
Der Verhetzungsparagraph in Österreich ist sehr ähnlich der „Volksverhetzung“ in der BRD – die Strafandrohung ist bei uns allerdings geringer.
Aus welchen politischen Kreisen stammt Elisabeth Sabaditsch-Wolff?
Sie ist für mich ein erschreckend gelungenes Beispiel für die Radikalisierung der politischen Mitte. Sabaditsch-Wolff kommt aus einer Diplomatenfamilie und war im Kabinett des damaligen Vizekanzlers Schüssel tätig. Politisch kommt sie aus dem „Akademikerbund“, einer Vorfeldorganisation der ÖVP (Österreichische Volkspartei). Teile des Akademikerbundes, übrigens keine besonders bedeutende Organisation, haben sich in den letzten Jahren so radikalisiert, dass in Folge der Äußerungen von Sabaditsch-Wolff und der Haltung zum NS-Verbotsgesetz die gesamte Wiener Landesorganisation vom Dachverband ausgeschlossen wurde und zwei Wiener Funktionäre auch von der ÖVP. Ähnliches spielt sich auch innerhalb der Katholischen Kirche ab, wo Plattformen wie „kreuz.net“ offen auf den Anti-Islamismus und Antisemitismus setzen. Da fallen mittlerweile fast alle Berührungsschranken zur traditionell antiklerikalen extremen Rechten.
Extrem rechte und rechtspopulistische Parteien versuchen in Deutschland unter dem Deckmantel der „Islamkritik“ und „Meinungsfreiheit“, Diskurse rassistisch aufzuladen und die mediale Öffentlichkeit zu beeinflussen. Welche Rolle spielt für die FPÖ das Thema Integration und Islam bzw. Muslime?
Das erste bemerkenswerte an der FPÖ ist, dass sie aktuell versucht, den Antisemitismus, den sie kontinuierlich bedient hat, etwas in den Hintergrund zu drängen und durch den Anti-Islamismus abzulösen. Wobei der Anti-Islamismus durch eine spezifische Türkei-Phobie noch aufgeladen wird, die auf die Türkenbelagerungen Bezug nimmt. Das nimmt dann schon groteske Züge an, wie etwa aktuell in einem Comic der FPÖ, der sich vordergründig an Kinder richtet und Heinz-Christian Strache (FPÖ-Parteichef) als „Prinz Eugen“ wieder auferstehen lässt. Die FPÖ saugt wie ein Schwamm die Erfahrungen aller rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien auf, bezieht sich auch auf solche Parteien, die mit der FPÖ wenig bis nichts zu tun haben wollen. Der Anti-Islamismus ist nur eine Chiffre für Rassismus und Hetze, die Parteien wie die FPÖ wie das Brot zum Leben brauchen. Das zweite bemerkenswerte ist ja, dass über die alte Klammer Antisemitismus (bzw. Antizionismus) ja gerade die FPÖ bemerkenswert intensive Beziehungen zu arabischen bzw. muslimischen Potentaten aufgebaut hat und noch immer praktiziert. Haiders Connections in den Irak, nach Libyen usw. waren ja legendär, die heutige FPÖ unter Strache sympathisiert mehr mit Ahmadinejad.
Welches Verhältnis hat die FPÖ zu anderen rechtspopulistischen Parteien und Personen in Europa, speziell zur Person Geert Wilders und seiner „Partij voor de Vrijheid“ (Partei für die Freiheit)?
Ich glaube, die FPÖ würde gerne ihre Beziehungen intensivieren, aber Geert Wilders (noch) nicht. Mit den angebräunten Schmuddelkindern aus Österreich kann man in den Niederlanden keine Sympathien holen. Die FPÖ ist jedenfalls nicht wählerisch: der Spannungsbogen reicht von den bulgarischen Ataka-Faschisten über Jobbik in Ungarn bis hin zum Front National (Frankreich), zur Lega Nord (Italien) oder auch der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Die hat sich vor Jahren noch deutlich von der FPÖ abgegrenzt – mittlerweile hat ihr Kampagnenleiter den Wahlkampf der FPÖ-Steiermark organisiert.
Bisher kooperierte die FPÖ in Deutschland mit der so genannten „Pro“-Bewegung, nun tritt mit Sabaditsch-Wolff eine scheinbar der FPÖ-Akademie nahestehende Person bei „Pax Europa“ auf, deren Landesvorsitzender René Stadtkewitz kündigte kürzlich die Gründung einer eigenen Partei („Die Freiheit“) an und distanzierte sich öffentlich von den „Pro“-Gruppierungen. Wie bewerten Sie das?
Sabaditsch-Wolff ist jedenfalls kein bekennendes FPÖ-Mitglied. Sie war und ist Vortragende bei der Politischen Akademie der FPÖ, dem Freiheitlichen Bildungsinstitut. Die „Bürgerbewegung Pax Europa“, mit der Frau Sabaditsch-Wolff verbunden ist, kennt kein Mensch in Österreich – vermutlich auch in der BRD nicht. Die FPÖ hat Kontakte zu den „Pro“-Gruppierungen, zur DVU und den Republikanern (solange sie existent waren) und auch zur NPD. Manchmal weiß man nicht mehr, wer wen kopiert. Die FPÖ sucht beständig Bündnispartner, weil sie auf EU-Ebene doch noch ziemlich isoliert ist. Dabei stolpert sie immer wieder über historisch aufgeladene Konflikte: über Südtirol mit den italienischen Faschisten, über die Oder-Neisse-Grenze mit der Rechten in Polen usw.
Herr Öllinger, vielen Dank für das Gespräch!
Der studierte Politologe und Germanist Karl Öllinger (Jahrgang 1951) ist seit 1994 Abgeordneter im österreichischen Nationalrat und derzeit für die grüne Fraktion Sprecher für Sozial- und SeniorInnenpolitik.