Vorwort

In dem diesjährigen Schattenbericht wird deutlich, dass sich auch in Berlin Wandlungsprozesse am rechten Rand widerspiegeln, welche sich seit einigen Jahren im europäischen Rahmen vollziehen.

 

Mit einer Fokussierung auf einen kulturreligiös ummantelten Rassismus versuchen sich Teile der extremen Rechten an einer „Modernisierung“ ihrer Propaganda. Dabei droht das politisch inszenierte Schlagwort der “schleichenden Islamisierung” zum Einfallstor von Rechtsaußen in die politische Mitte zu werden. Die gesellschaftliche Sprengkraft eines solchen antimuslimischen Rassismus zeigte Ende 2009 die Volksabstimmung gegen Minarettbau in der Schweiz, die Vorbildcharakter für die rechtspopulistisch modernisierte extreme Rechte in Europa hatte. Auch in Deutschland sind propagandistische Verschiebungen innerhalb der extremen Rechten zu konstatieren, die einhergehen mit einer Neuaufstellung der extrem rechten Parteienlandschaft.

Während die NPD die DVU geschluckt hat und damit versucht, das traditionsorientierte neofaschistische Lager erneut parteiförmig zu einen, strebt die so genannte PRO-Bewegung mit ihrer anvisierten Vereinigung mit den REP eine rechtspopulistische Modernisierung der extremen Rechten an. Dabei ist jedoch die Moslemfeindlichkeit als Chiffre für einen mehrheitsfähigen Rassismus das einigende Banner. Denn auch die NPD ist nicht unbeeindruckt geblieben von dem ‚Erfolg’ eines populistisch betriebenen antimuslimischen Kampagnen-Rassismus in Europa und versucht sich seit ihrem letzten Parteitag gar, anbiedernd an die in Österreich erfolgreiche rechtspopulistische FPÖ, als „soziale Heimatpartei“ zu inszenieren. Die PRO-Bewegung will als neue Rechtsaußengruppierung mit rassistischen Kulturkampfparolen ihren Wirkungskreis von Nordrhein-Westfalen aus bundesweit ausdehnen.[1] Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin im Jahr 2011 möchte PRO antreten.

Im Unterschied zu offen neonazistischen und demokratiefeindlichen Parteien wie der NPD bekleidet sich die PRO- Bewegung mit einer rechtspopulistischen Hülle, wenngleich auch sie dem Lager der extrem rechten Parteienlandschaft entstammt und mit den anderen Rechtsaußenparteien um die Stammwählerschaft dieses Lagers ringt. Dabei versucht PRO mit den propagandistischen Mitteln der „Protest-Inszenierung“ (Karin Priester), Rassismus und Nationalismus politisch als ‚plebiszitär’ zu verankern.[2] Um sich selbst als moderne Rechtsaußen-Wahlgruppierung neu zu formieren, werden Begriffe der Bürgerinitiativ-Bewegungen für sich in Anspruch genommen – eine perfide Spielform der politischen Mimikry. So wird eine strukturelle Demokratiefeindlichkeit als eine ‚bürgerschaftlich’ ausgerichtete Mogelpackung inszeniert, der Rassismus wird als ‚demokratisches Mitbestimmungsangebot’ verpackt.

Das Schüren von Ängsten und Vorurteilen gegenüber „dem Islam“ steht im Zentrum dieser rechtspopulistischen Agitation. Unterschriftensammlungen gegen Moscheebau und Minarette haben als Agitationsform einen besonderen Stellenwert in der Strategie dieses rechten Netzwerkes. Die klassische „Ausländer raus“-Parole wird dabei kulturalisierend verpackt als Kampfansage gegen die „Islamisierung unserer Gesellschaft“. Die Zuwanderung wird pauschalisierend verknüpft mit der Religion, dem Fundamentalismus und der politisch motivierten Gewalt. In solchen Feindbild-Konstruktionen zeigt sich die Stoßrichtung dieser populistischen Kampagnen, der Rassismus wird religiös als „Kulturkampf“ verschleiert.

Mittels einer öffentlichkeitsorientierten Eskalationsstrategie wird ein solcher Kulturkampf inszeniert: Konflikte werden aggressiv rassistisch geschürt, um Aufmerksamkeit und Gegenproteste hervorzurufen. Dies wiederum bietet dann Anlass, sich als Opfer von „Meinungsdiktatur“, „politischer Correctness“ und „linkem Gesinnungsterror“ zu inszenieren und erneut den Grad öffentlicher Konflikte zu verschärfen. Ein solches Drehen an der populistischen Schraube ist Ausdruck einer Strategie, die auf Steigerung der Konflikte ausgerichtet ist. Dies funktioniert nach dem Prinzip rassistische Vorlage – antirassistische Reaktion – rassistische Antwort – Ausweitung der Konfliktebene im Sinne einer Fortsetzung auf ständig höherer Stufenleiter: Eine ritualisierte Inszenierung einer populistischen Eskalations-Schraube.

Damit einher geht die Forderung zum Austausch der Feindbilder: So interpretieren etwa der PRO-Mäzen Patrik Brinkmann und sein Redenschreiber Andreas Molau „nicht die Juden, sondern die Muslime“ als das „Kernproblem“. „Die deutsche Rechte muss sich von ihrer Vergangenheit emanzipieren“, so die Erläuterung Brinkmanns zum Wandel der Feindbilder.[3]

Quo Vadis?

Derartige Entwicklungen erfordern Neuorientierungen im Umgang mit dem Kulturrassismus von Rechtsaußen: Das im parteipolitischen Geplänkel jüngst wieder hervorgehobene „Extremismus-Konstrukt“, das den rechten mit dem linken Rand gleichzusetzen bestrebt ist und proklamiert, die „wehrhafte Demokratie“ gegen die „extremistischen Ränder“ zu verteidigen, verfehlt in seinem ideologisch motivierten Impetus vollends die realen Entwicklungen. Denn gerade der kampagnenorientierte Kulturrassismus zielt auf die „politische Mitte“, indem er mehrheitsfähige rassistische Diskurse zur eigenen Neuverortung benutzt. Nicht die „extremen Ränder“, sondern die demokratischen Defizite im Zentrum des Politischen sind dabei die Sollbruchstellen für einen Rechtsruck.

Die Rechten sind real keine extremistischen ‚Aliens’, die von außen in die intakte heimische Sphäre der Demokratie eindringen – sie sind vielmehr Teil dieser Gesellschaft und ziehen die Wirkungsmächtigkeit ihrer Kampagnen aus deren realen demokratischen Defiziten. Religiös verklausulierter Kulturrassismus, nationalistischer Anti-EU-Protest und Anti-Establishment-Gehabe von Rechtsaußen entfalten deshalb Wirkungsmächtigkeit, weil sie reale Probleme aufgreifen und mit simplen Feindbild-Projektionen politisch besetzen: Sie sind ein Seismograf für die Krise der Demokratie. Ein Blick über den nationalen Tellerrand zeigt beispielhaft an Ländern wie Italien und den jüngsten Wahlerfolgen in den Niederlanden und in osteuropäischen Ländern, dass die größten Herausforderungen nicht im Kampf gegen „äußerlichen Extremismus“ sondern in der schleichenden Implosion der Demokratie durch deren Transformation nach rechts liegen.

Die parteiförmige extreme Rechte in Deutschland hat dies zum Teil erkannt. Sie versucht die rechtspopulistischen Erfolge in Europa national zu importieren, indem sie sich auf hegemoniale Diskurse bezieht und diese kampagnenartig zuspitzt: Nicht von ungefähr wird der CDU-Slogan von der „christlich-deutschen Leitkultur“ als Vorlage genommen für den neuen Leitspruch „Abendland in Christenhand“.

Hier liegen zugleich auch neue Herausforderungen für eine antifaschistische Arbeit: Der „Kampf gegen Rechts“ kann sich nicht auf die moralische Verurteilung beschränken. Vielmehr muss der extremen Rechten das politische Terrain auf neuen Ebenen streitig gemacht werden. Dies beinhaltet die Verstärkung eigener Auseinandersetzungen mit Integrations- und Demokratiedefiziten mit dem Ziel neuer Verständigungen. So steht auch die antifaschistische Auseinandersetzung mit der PRO-Bewegung in Nordrhein-Westfalen weiterhin noch vor großen Anstrengungen. Dort zeigt die Erfahrung, dass notwendiger antifaschistischer Protest auf der Straße gegen kulturalistischen Kampagnen-Rassismus nur die eine Seite der Medaille ist. Er muss begleitet werden von inhaltlichen Auseinandersetzungen mit dessen Inhalten sowie der Bereitschaft von antirassistischen und antifaschistischen Initiativen[4], sich neuen Fragestellungen und politischen Herausforderungen gegenüber zu öffnen. Nur so kann unter emanzipatorischen Prämissen politisch wieder neues Terrain betreten und besetzt werden.

Alexander Häusler ist Sozialwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsstelle Neonazismus der FH Düsseldorf. Er ist Herausgeber der ersten wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der „PRO-Bewegung“ (siehe Literaturliste). In Kürze erscheint ein von ihm gemeinsam mit Jan Schedler herausgegebener Sammelband zu den „Autonomen Nationalisten“.

  1.  Vgl. AK Ruhr / LAGA NRW (Hg.): Rechtspopulismus in Gestalt einer Bürgerbewegung, online unter: http://docs.google.com/ viewer?a=v&pid=sites&srcid=ZGVmYXVsdGRvbWFpbnxha3J1aHJ8Z3g6MjJhZGExM2I5NzJlYzk2ZA
  2.  Vgl. Karin Priester, Populismus als Protestbewegung, in: Alexander Häusler (Hrsg.), Rechtspopulismus als Bürgerbewegung, Wiesbaden 2008, S. 19-36
  3.  Vgl. Alexander Häusler: „Von der Vergangenheit emanzipieren…Vom Antisemitismus zur Islamfeindlichkeit?, in: ZAG Nr. 56/2010, S. 21-23
  4.  So kam etwa auf einer Podiumsdiskussion zur Tagung „Feindbild Islam“ im Herbst 2008 in Köln zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem als „Antiislamisierungskongress“ angekündigten rechtspopulistischen Spektakel großes Interesse an offenen Diskussionen zu bislang noch ‚dunklen Feldern’ in der antirassistischen und antirassistischen Debatte im kommunalen Kontext zum Ausdruck. Vgl. hierzu den Tagungsband von Alexander Häusler/HansPeter Killguss (Hg.): Feindbild Islam. Rechtspopulistische Kulturalisierung des Politischen, Köln 2008 (erhältlich bei der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln).
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