05. November 2001Ingo Binsch verstirbt nach Gewalttat durch drei extrem rechte Männer

Das Foto zeigt einen Ausschnitt aus einem Transparent zum Gedenken an Todesopfer rechter Gewalt - Ingo B. steht am mittleren rechten Rand.
Foto: Kilian Behrens / apabiz

Am Abend des 5. November 2001 verstirbt Ingo Binsch an einem Herzinfarkt, nachdem er durch drei Männer misshandelt worden war. 2018 wird er als Todesopfer rechter Gewalt staatlich anerkannt.

Über Binschs Biografie gibt es kaum Informationen. Bekannt ist lediglich, dass er 1956 in Altlandsberg (Brandenburg) nahe Berlin geboren wurde und zum Tatzeitpunkt gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin in Marzahn-Hellersdorf wohnte.

Der Abend des 5. November 2001

Am Abend des 5. November 2001 sitzen die drei Täter in einer Kneipe beisammen. Zwei von ihnen sind die Söhne (22 und 24 Jahre) von Ingo Binschs Lebensgefährtin, der andere ein Freund der Brüder. Sie unterhalten sich über die Schulden von 40 DM, die Binsch einem der Brüder schulden würde. Zudem sei er der Mutter gegenüber gewalttätig. Die Brüder gehören dem Neonazi-Milieu an. An diesem Abend fällt die Entscheidung, das Geld mittels Gewalt einzutreiben.

Gegen 21:30 Uhr erreichen die drei die Wohnung, in der sie Ingo Binsch sofort mit den Vorwürfen konfrontieren. Als dieser nicht darauf eingeht, greifen sie ihn an. Der 36-Jährige wird mehrfach brutal und exzessiv geschlagen. Nachdem dessen Lebensgefährtin mit der Polizei droht, fliehen die Täter aus der Wohnung.

Nach dem Übergriff klagt Ingo Binsch über starke Schmerzen und Übelkeit. Seine Lebensgefährtin alarmiert daraufhin den Notarzt. Die Sanitäter stellen einen Herz-Kreislauf-Stillstand fest. Eine Wiederbelebung bleibt ohne Erfolg. Um 23:30 Uhr wird Ingo Binschs Tod festgestellt.

Gerichtsprozess und späte Anerkennung

Mitte Mai 2002 wurden die Täter vor dem Landgericht Berlin wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchter Nötigung verurteilt. Die Haftstrafen betrugen zwischen dreieinhalb und sechseinhalb Jahren. Der rechtsextreme Hintergrund der Täter wurde zwar vor Gericht thematisiert – in Bezug auf den Übergriff wurde allerdings ein politisches Motiv ausgeschlossen. Auch einige der frühen Presseberichte sprechen von einer Familientragödie und nicht von einem politischen Motiv. Doch schon in den Monaten und Jahren vor dem 5. November 2001 waren den Tätern Gewalttaten nachgewiesen worden, die in einem extrem rechten Gruppenkontext stattfanden, u.a. das Zeigen verfassungswidriger Kennzeichen sowie Gruppengewalt.

Für das Neonazi-Milieu stellt die schwere Gewalt, wie Ingo Binsch sie erfahren hat, eine Regel und keine Ausnahme dar. Im Rahmen einer Studie zu rechten Tötungsdelikten in Berlin untersuchten Wissenschaftler*innen der TU Berlin den Fall im Jahr 2018 erneut. Die „Gewalthabitualisierung“ der beiden Brüder und des Freundes habe in der extrem rechten Szene stattgefunden, weswegen der Fall als ein politisch rechtes Tötungsdelikt klassifiziert werden sollte.

Kaum Anhaltspunkte des Gedenkens

Das Foto zeigt eine hölzerne Gedentafel. Auf dieser steht: Im Gedenken an Ingo Binsch, der hier im Kiez am 5. November 2001 von drei Neonazis geschlagen wurde und an den Folgen starb. #niemandistvergessen
Foto: Niemand ist Vergessen! Kampagne

Aus der Perspektive des Gedenkens und Erinnerns ist um Ingo Binsch als Todesopfer rechter Gewalt wenig passiert. Ein Grund dafür dürften die spärlichen Informationen zu seiner Biografie sein. Viel mehr über die Täter zu wissen als über das Todesopfer ist ein Hindernis für die aktivistische Gedenkarbeit.

Seit 2020 findet ein öffentliches Gedenken für Ingo Binsch in kleinem Rahmen statt. Die Kampagne „Niemand ist Vergessen!“ installierte im Jahr 2021 erstmalig eine Gedenktafel. Das „Bündnis für Demokratie und Toleranz Marzahn-Hellersdorf“ veröffentlichte zum 20. Todestag einen offenen Brief und versucht weiterhin Informationen über Binsch zu sammeln. Der AStA der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin dokumentierte im Jahr 2021 eine Gedenkaktion auf seiner Webseite.

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