Schulverweis für Neonazis

Die neonazistische Kleinstpartei „Der III. Weg“ entdeckt zunehmend Schulen als Agitationsraum für sich. Die Berliner Register haben in den letzten Monaten mehrere entsprechende Vorfälle dokumentiert.

 
Ein leeres Klassenzimmer. Auf der Tafel steht "Nazis raus!"
Bild erstellt mit Canva Magic Studio.

Die Partei „Der III. Weg“ ist derzeit die tonangebende Kraft in der militanten Neonaziszene Berlins. „Der III. Weg“ fungiert vor allem als Sammelbecken für aktionsorientierte Neonazis, nur selten tritt man zu Wahlen an. Die Organisierung als Partei stellt eine Hürde für ein Verbot durch die Behörden dar und ist strategisch gewählt. Ihr aktueller Fokus liegt darauf, Jugendliche für die Parteijugend „Nationalrevolutionäre Jugend“ (NRJ) zu gewinnen. Die Berliner Register beobachteten in den vergangenen Monaten verstärkt Aktivitäten der NRJ. Angriffe und Einschüchterungsversuche gegenüber Personen und Orten, die als „links“ oder „queer“ verstanden werden, häufen sich. Seit Ende Oktober 2023 kommt es zu Rekrutierungsversuchen durch Parteimitglieder vor Schulen.

Neonazistische Propagandaaktionen vor Schulen sind ein Phänomen, das in den letzten 20 Jahren in Berlin nicht mehr beobachtet werden konnte. Zuletzt wurden in den Nuller-Jahren sogenannte Schulhof-CDs verteilt. Dass Neonazis nun wieder Präsenz vor Schulen zeigen, ist in jeglicher Hinsicht besorgniserregend. Die NRJ ist derzeit die einzige aktionsorientierte Neonaziorganisation, die für Jugendliche „attraktive“ Angebote schafft. Damit füllt sie eine seit vielen Jahren existierende Lücke und sorgt so für Nachwuchs in der militanten rechten Szene. Kampfsporttrainings oder Graffiti-Aktionen bieten jungen Interessierten Zugang zu einer patriarchalen und völkischen Gemeinschaft.

Informationen zu Hintergründen und Aktivitäten des „III. Weges“ sowie Handlungsempfehlungen finden sich in der gemeinsamen Handreichung des apabiz und der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin. Diese kann kostenlos per Mail bestellt und hier heruntergeladen werden.

Um neue Mitglieder zu rekrutieren und Präsenz im öffentlichen Raum zu demonstrieren, werden nun auch Jugendliche vor Schulen abgepasst. Den Berliner Registern sind seit Oktober 2023 mindestens sechs Schulhofaktionen des „III. Weges“ in den Bezirken Lichtenberg, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf bekannt. Hierbei standen Mitglieder der Jugendorganisation NRJ vor Schulen und versuchten Propaganda zu verteilen, darunter Visitenkarten mit Kontaktmöglichkeiten, einem QR-Code und Angeboten wie „Musik, Videos, Berichten, Aktionen, Gemeinschaft“. Geworben wird mit dem scheinbar harmlosen Slogan: „Werde ein Teil vom Ganzen!“ In den bekannt gewordenen Fällen konnten die verteilenden Neonazis durch ihre T-Shirts, Pullover oder Schlauchtücher, auf denen das Parteilogo prangte, der Partei zugeordnet werden. Dennoch fiel es Pädagog*innen nicht leicht, diese als Neonazis zu identifizieren. Ein Grund dafür ist, dass „Der III. Weg“ (im Vergleich zur NPD) bei vielen noch weitgehend unbekannt ist. Zudem fand diese Art der Agitation vor Schulen in jüngerer Vergangenheit nicht statt, weshalb Erfahrungswissen fehlt. Umso wichtiger ist es, dass Fachkräfte informiert sind, sodass sie die Neonazis zukünftig erkennen und angemessen auf deren Aktionen reagieren können. In den bekannten Fällen fanden die Verteilaktionen am Ende des Unterrichts statt. Angesprochen wurden insbesondere Jugendliche, die man als weiß, männlich und heterosexuell ausmachte. Die Ansprache nach der Schule erschwerte es den pädagogischen Fachkräften, direkt mit den Schüler*innen über die Agitationsversuche zu sprechen und das Erlebte einzuordnen.

Aus den Gesprächen mit Angehörigen der betroffenen Schulen ist bekannt, dass die Neonazis des „III. Weges“ unterschiedliche Gründe für ihr Auftreten nannten. Dazu gehört beispielsweise das Argument, Propaganda dürfe vor der Schule verteilt werden, weil sich die Partei angesichts der bevorstehenden Wahlen im Wahlkampf befinde. Vor einer anderen Schule gaben sie sich als Jugend- und Wanderverein aus, um nicht als Neonazis erkennbar zu sein. Klar ist, dass sie auf dem Schulgelände selbst nicht agitieren dürfen – hier greift das Hausrecht. „Der III. Weg“ steht deswegen meist in der Nähe und wartet dort auf Schüler*innen, die das Schulgelände verlassen. In einem Fall wurde eine Fachkraft massiv bedroht und bedrängt, nachdem sie die Aktiven des „III. Weges“ aufgefordert hatte, sich weiter vom Schulgelände zu entfernen. Anderweitige Erfahrungswerte mit Neonazis des „III. Weges“ zeigen, dass diese mitunter bewaffnet und dazu bereit sind, als links wahrgenommene Jugendliche anzugreifen. Es besteht daher das Risiko, dass eine Ansprache früher oder später zu Gewalt eskaliert.

Zum Umgang mit Neonazis vor Schulen hat das Lichtenberger Register zusammen mit der Fach- und Netzwerkstelle Licht-Blicke eine Handreichung für Lehrer*innen und Pädagog*innen herausgegeben.

Was tun?

Es ist in jedem Fall ratsam, die Polizei zu informieren und die direkte Konfrontation zu vermeiden. Gute Erfahrungen wurden mit schnellen Kommunikationswegen zwischen Lehrer*innen und Schulsozialarbeiter*innen gemacht. In einem Fall konnten Schüler*innen so noch vor Verlassen ihrer Schule über die Präsenz des „III. Weges“ vor dem Gebäude informiert werden. Insbesondere von Rassismus betroffene, migrantische, linke oder queere Jugendliche brauchen in diesen Situationen Schutz und sollten am besten auf dem Nachhauseweg begleitet werden. Es ist zudem hilfreich, sich gemeinsam im Kollegium oder mit Schüler*innen im Vorfeld mit möglichen Szenarien auseinanderzusetzen. Eine enge Begleitung von Jugendlichen, die entweder gezielt angeworben oder angefeindet wurden, ist ebenfalls ratsam.

Der Blick in die Zukunft gestaltet sich ungewiss. „Der III. Weg“ hat bereits weitere Schulhofaktionen in Brandenburg angekündigt und zum Teil bereits durchgeführt. Schule und Zivilgesellschaft sind mittlerweile zunehmend dafür sensibilisiert und auf Agitationsversuche vorbereitet. Es gilt, wachsam zu sein, zu reagieren, wenn nötig und sich an die lokalen Dokumentations- und Beratungsstellen zu wenden.

Dieser Text erscheint ebenfalls im Rundbrief des apabiz monitor Nr. 98.

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