24. April 1992Nguyễn Văn Tú wird in Marzahn von einem DVU-Sympathisanten erstochen

Nguyễn Văn Tú wird in Marzahn von einem DVU-Sympathisanten erstochen

Gedenken an Nguyễn Văn Tú anlässlich dessen 25. Todestages am 24. April 2017 | Foto: apabiz

Nguyễn Văn Tú wird in Marzahn von einem DVU-Sympathisanten erstochen

Flugblatt: Aufruf Gedenkkundgebung 1992 | Quelle: apabiz

Nguyễn Văn Tú wird in Marzahn von einem DVU-Sympathisanten erstochen

Flugblatt: Unahbhängige Antifa-Gruppen 1992 | Quelle: apabiz

Nguyễn Văn Tú wird in Marzahn von einem DVU-Sympathisanten erstochen

Flugblatt: Unabhängige Antifa-Gruppen 1992 Rückseite | Quelle: apabiz

Nguyễn Văn Tú wird in Marzahn von einem DVU-Sympathisanten erstochen

Flugblatt: SOS Rassismus 1992 | Quelle: apabiz

Nguyễn Văn Tú wird in Marzahn von einem DVU-Sympathisanten erstochen

Flugblatt: SOS Rassismus 1992 Rückseite | Quelle: apabiz

Am 24. April 1992 wurde Nguyễn Văn Tú in Berlin-Marzahn durch einen Messerstich in die Lunge getötet. Zuvor kam es vor dem Einkaufszentrum am Brodowiner Ring zu Angriffen weißer deutscher Jugendlicher auf Vietnames_innen, welche dort einige Verkaufsstände betrieben. Als Tú, der mit einem Freund verabredet war, dazwischen ging, wurde er von Mike L. mit einem Messer angegriffen. Zur Zeit des Überfalls war der Platz vor dem Einkaufszentrum gut besucht, dennoch griff niemand ein. Die Angegriffenen mussten das Opfer letztlich selbst ins Krankenhaus bringen. Dort starb Tú kurz darauf.

Nguyễn Văn Tú lebte seit 1987 als Vertragsarbeiter in der DDR. Er war angestellt im Gummikombinat im thüringischen Waltershausen. Im November 1990 wurde er entlassen. Zum Jahresende 1992 endete seine Aufenthaltsgenehmigung. Nguyễn Văn Tú wollte nach seiner geplanten Rückkehr in Vietnam heiraten. Dort lebten seine Eltern und fünf Geschwister.

Anfang der 1990er Jahre verloren aufgrund der Einigungsverträge fast alle ehemaligen Vertragsarbeiter_innen der DDR ihre Aufenthaltsgenehmigung. Gegen diese Praxis regte sich bald Widerstand, es wurden Interessenvertretungen wie die Vereinigung der Vietnamesen in Berlin & Brandenburg e.V. gegründet.

Flugblatt: Aufruf Gedenkkundgebung 1992 Quelle: apabiz

Der Täter Mike L. gab in einer Vernehmung an, mit der extrem rechten Partei Deutsche Volksunion (DVU) zu sympathisieren. Er wurde im Oktober des selben Jahres wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Haftstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor fünfeinhalb Jahre wegen Totschlags gefordert. Das Gericht sah es jedoch nicht als erwiesen an, dass L. den Tod seines Opfer „billigend in Kauf“ genommen habe. Tatmotiv sei vielmehr „Selbstjustiz“ vor dem Hintergrund „fremdenfeindlicher Ressentiments“. Nguyễn Văn Tú ist als Todesopfer rechter Gewalt staatlich anerkannt (Vgl. Drucksache 17/13592 Abgeordnetenhaus Berlin).

In den Wochen nach der Tat fanden in Marzahn antirassistische Demonstrationen statt. Im Jahr 2015 fand vor Ort eine Gedenkkundgebung für Tú statt. Auch zum 25. Todestag von Nguyễn Văn Tú 2017 wurde an ihn erinnert.

In der Ausgabe 18 des Antifaschistischen Infoblatts (AIB) vom Juli 1992 werden die Tat, die Reaktionen und der alltägliche Rassismus vor Ort ausführlich beschrieben. Die Autor_innen schließen ihre Analyse mit der noch immer aktuellen Einschätzung:

„Bei uns bleibt das Gefühl, daß solche Angriffe schon «Normalität» geworden sind, daß sie nur noch wenige Leute schockieren, und für eine antirassistische Demonstration auf die Straße bringen. Die AntifaschistInnen in den Neubaugebieten haben einen schweren Stand. Es ist allerhöchste Zeit, daß antifaschistische Initiativen und die Linke in Berlin sie verstärkt unterstützen.“

Aktualisierung: 2018 ver­legten Engagierte am Tatort einen Gedenkstein. Im Umkreis erinnerten sie mit Plakaten an Tú. Schon 1992 ist vor Ort eine provisorische Gedenktafel angebracht worden. Kurz darauf wurde sie zerstört. Auch der neue Gedenkstein wurde nach wenigen Tagen von Unbekannten zunächst massiv beschädigt. Später wurde er komplett entfernt. 2021 brachten Aktivist*innen erneut eine Gedenktafel in der Nähe des Tatorts an, welche kurz darauf wieder beschädigt wurde. Eine offizielle Gedenktafel befindet sich abseits in der Bezirkszentralbibliothek Mark Twain. Von der Straße aus ist sie nicht zu sehen.

Beim Bürger*innenhaushalt Marzahn-Hellersdorf 2022/23 erhielt der Vorschlag einer Gedenktafel für Nguyễn Văn Tú die meisten Stimmen. Das Abstimmungsergebnis ist ein wichtiger Schritt für ein dauerhaftes Zeichen am Tatort.

Am 24. April 2022 fand anlässlich des 30. Todestages erneut eine Gedenkveranstaltung für Nguyễn Văn Tú statt, an der sich circa 100 Menschen beteiligten. Das Gedenken stört Rassist*innen offenbar bis heute. Im Vorfeld wurde eine Gedenktafel in der Nähe des Tatorts mit Bauschaum verunstaltet. Aktivist*innen sorgten dafür, dass sie wieder lesbar ist.

Die Original-Flugblätter sowie weitere Presseartikel zum Tod von Nguyễn Văn Tú können im antifaschistischen pressearchiv und bildungszentrum berlin (apabiz e.V.) eingesehen werden.

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