Wie auf der vergangenen Demonstration war auch dieses mal Eric Graziani Grünwald der erste Redner. Er arbeitete sich zunächst an den üblichen rechten Feindbildern ab: den „linken Propagandisten der deutschen Wochenschau von heute“, den „Volksverrätern“ und Merkel, die „ihr Volk in den Genozid treibt“ sowie den „Rothschilds“, die „in der Führungsebene sitzen und Europa in ein Chaos der Verwüstung und der Bürgerkriege stürzen.“ Gegen diesen prophezeiten Untergang sei er bereit zu kämpfen und „Opfer zu bringen“, bis hin zum Tod: „Selbst mein Leben wäre mir nicht zu schade, es herzugeben, für die Freiheit unserer Kinder und vor allem für ein freies und souveränes Deutschland.“ Grazianis Rhetorik ist idealtypisch für den aktuellen völkischen Duktus, der sich aufgrund einer apokalyptischen Prophezeiung zum Widerstand nicht nur legitimiert, sondern gar verpflichtet sieht. Wie auch schon in seiner Rede bei der ersten Demonstration folgte ein geschichtsrevisionistischer Exkurs „in Gedenken“ an die „vergessenen Opfer“, die Vertriebenen und die „eine Million deutscher Opfer, die durch die Willkür und die Rache, der Greueltaten und des blindes Hasses seitens der Alliierten“ 1945 in den Rheinwiesenlagern ihr Leben lassen mussten. Auch diese Passage, mit einer völlig aus der Luft gegriffenen Opferzahl wurde von den Anwesenden mit Jubel und Beifall beantwortet.
Nach Graziani sprach der Bundesvorsitzende von „Pro Deutschland“, Manfred Rouhs. Dieser vertrat die These, Merkel würde gegen deutsche Interessen verstoßen, weil sie das Ziel verfolgen würde, die Nachfolge des UN-Generalsekretärs in New York anzutreten. Wenige Tage vor der Demonstration hatte sich „Pro Deutschland“ in einem Rundbrief als Organisator der Demonstration zu erkennen gegeben und zu Spenden aufgerufen, um die Technik refinanzieren zu können. Nach Rouhs sprachen der ehemalige Chef von Legida, Markus Johnke, und die Pro Deutschland-Stadträtin, Claudia Bötte. Bötte stellte sich selbst als „Mutter zweier Kinder“ vor, die „noch blond“ seien. Dass sie zudem Fraktionsvorsitzende im Stadtrat Wuppertal sei, verdeutliche ihrer Meinung nach, dass es „keinen gequirlten Genderquark“ brauche. Auch durch das Aufziehen ihrer Kinder würde sie dazu beitragen, „das deutsche Volk nicht aussterben zu lassen“. Nach einer weiteren Rede des umtriebigen Schweizers Ignaz Bearth von der „Direktdemokratischen Partei Schweiz“ setzte sich der Aufzug unter der Parole „Hier marschiert der nationale Widerstand“ in Bewegung. Im Laufe der Demonstration wurden diverse neonazistische Parolen gerufen – auch „Nie wieder Israel“ war zu hören. Ob die hohe Präsenz von Neonazis mit dazu beigetragen hat, dass einzelne Israelfahnen, die zu Beginn der Veranstaltung noch präsent waren, im Laufe der Demonstration nicht mehr zu sehen waren, bleibt Spekulation. Bei bisherigen Demonstrationen mit ähnlicher heterogener Zusammensetzung schien dieser Widerspruch zwischen sich israelsolidarisch gebenden antimuslimischen RassistInnen und Neonazis mit dezidiert antisemitischer und geschichtsrevisionistischer Ausrichtung kein Hindernis zu sein.
Transparente, Fahnen und T-Shirts ließen eine bundesweite Beteiligung mit Schwerpunkt Ostdeutschland erkennen. Neben vielen Deutschlandfahnen sowie der Wirmerflagge und der Flagge des Deutschen Ordens waren auch Regionalflaggen etwa aus Brandenburg, Preußen, Rheinland, Sachsen, Hamburg und Baden vertreten. Neonazis aus dem sächsischen Crimmitschau gedachten „unseren Vätern und Großvätern“, ein Transparent warnte vor „Ossis, die in Rage sind“, ein weiteres informierte über „PEsN“ („Patriotische Europäer sagen Nein“). Hinter dem Transparent lief der ehemalige NPD-Aktivist und nun Vorsitzender des sächsischen Landesverbandes der Partei „Die Rechte“, Alexander Kurth, dessen öffentlich gewordene Chatprotokolle vor rund einem Jahr für Schlagzeilen gesorgt hatten, da sie Kontakte zwischen der extrem rechten Szene und Polizeibeamten offenlegten. Auch etliche Fahnen des rechten Hooliganzusammenschlusses „Gemeinsam stark e.V.“ (GSD) waren vertreten. Darüber hinaus prangten Tätowierungen der bekannten großen ostdeutschen Fussballvereine mit verhältnismäßig hoher Hooligan-Anhängerschaft auf diversen Waden und Armen. Entsprechende in der Szene beliebte Kleidungsmarken wie Yakuza oder Thor Steinar waren ebenfalls weit verbreitet. Aus Berlin waren neben dem dezidiert aktionsorientierten Spektrum erneut etliche Vertreter der NPD sowie die AfD-Hardliner der „Patriotischen Plattform“ erschienen. Die langjährig bekannten Berliner Neonazis Tim W., Oliver O. und David L., die regelmäßig auf neonazistischen Aufmärschen wie zuletzt beim „Dritten Weg“ am 1. Mai im sächsischen Plauen als Ordner fungieren, liefen wie gewohnt am Kopf der Demonstration. Tim W. war Mitglied der im März 2016 vom Bundesinnenminister verbotenen bundesweiten Neonaziorganisation „Weiße Wölfe Terrorcrew“ (WWT).
Am Rande der Demonstration versuchten Neonazis auf kleine Gruppen von Gegendemonstrant_innen loszugehen, denen es gelungen war, auf die Route zu gelangen. Auch ein Journalist wurde attackiert und zu Boden gerissen. Im Hauptbahnhof wurde der Politiker der Linkspartei, Hakan Taş, angegriffen. Wie am 12. März war die Route durch die Polizei großflächig abgesperrt. Auf verschiedenen Veranstaltungen und Demonstrationen protestierten nach Angaben des Bündnisses „Berlin nazifrei“ bis zu zwölftausend Personen gegen den rechten Aufmarsch. Das Bündnis kritisierte im Nachgang das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen Gegendemonstrant_innen.
Als die Demonstration ihr Ziel, den Platz vor dem Bahnhof Friedrichstraße erreichte, wartete das eher aktionsorientierte Klientel gar nicht erst die letzten Reden ab. „Autonome Nationalisten“ aus Berlin twitterten: „Wir gehen. Kein Bock auf noch mehr Gelaber.“ Zum Schluss sprachen Ester Seitz aus Bayern und der bereits erwähnte Alexander Kurth, neben mehreren Rednern, die noch dazu aufforderten, zu den nächsten Veranstaltungen nach Grimma, Rathenow und Berlin (Bärgida) zu kommen. Wie nicht anders zu erwarten war, wird bereits zur dritten Auflage am 30. Juli mobilisiert.