Mit Reichskriegsfahnen vor dem Deportationsmahnmal – Berliner Polizei ermöglicht Bärgida skandalöse Provokation

Aufgrund des unsensiblen Agierens der Berliner Polizei wurde der Bärgida-Aufmarsch am letzten Montag zum pietätlosen Eklat. Erneut marschierten die extremen Rechten durch Moabit und kamen in unmittelbare Nähe des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGESO). Ihre Abschlusskundgebung durften sie direkt am Deportationsmahnmal auf der Putlitzbrücke abhalten. Die Polizei ließ es zu, dass die Neonazis und RassistInnen dort Reichs- und Reichskriegsfahnen schwenkend das „Lied der Deutschen“ in allen drei Strophen sangen.

 
Bärgida-Abschlusskundgebung am 17. August: Mit wehender Reichskriegsfahne (hinten links) beim Singen des „Lied der Deutschen“ in allen drei Strophen vor dem Deportationsmahnmal auf der Putlitzbrücke. © Florian Boillot

Am Montag, den 17. August, versammelten sich etwa 110 Neonazis und andere extreme Rechte und RassistInnen jeglicher Couleur am Hauptbahnhof zum wöchentlichen Bärgida-Aufmarsch. Der Abend begann wenig überraschend mit dem schon üblichen Programm: Bekannte und bisher unbekannte RednerInnen hielten rassistische, nationalistische und verschwörungsideologische Beiträge (einige O-Töne finden sich am Ende des Textes), die Neonazi-Hooligans vom „Bündnis Deutsche Hools“ (BDH) übten sich wie gehabt in stumpfer gewaltästhetisierender Selbstinszenierung, in den Pausen wurde Neonazi-Musik vom Band gespielt. Nach einer kurzfristigen Routenänderung zog der Aufmarsch wie schon mehrfach in den Wochen zuvor mit einem aggressiven Hooligan-Mob an der Spitze unter Beschallung von Neonazi-Musik und mit Parolen wie „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ durch Moabit. Dass die Anwohner_innen dadurch nicht nur provoziert, sondern einer konkreten Bedrohung ausgesetzt werden, ist offensichtlich.

Ein bisher unbekannter Redner während seines rassistischen Beitrags vor grotesker Kulisse. © apabiz
Ein bisher unbekannter Redner während seines rassistischen Beitrags vor grotesker Kulisse. © apabiz

Polizei verhilft zum Skandal

Die von der Polizei gewährte Route an diesem Tag war besonders skandalös, denn sie ließ nicht nur die RassistInnen bis in unmittelbare Nähe zum LAGESO, wo seit einigen Wochen täglich mehrere Hundert Geflüchtete unter miserablen Bedingungen notdürftig versorgt werden und teilweise übernachten müssen. Die Abschlusskundgebung konnte Bärgida dann direkt am Deportationsmahnmal auf der Putlitzbrücke abhalten. Das Mahnmal erinnert an die von dort erfolgte Deportation von etwa 32.000 Berliner Jüd_innen in Konzentrationslager durch die Nazis und wurde seit der Errichtung 1987 mehrfach Ziel antisemitischer Sachbeschädigungen sowie eines Sprengstoffanschlags im Jahr 1992. Den RassistInnen gerade hier die Möglichkeit zu geben, das „Lied der Deutschen“ in allen drei Strophen zu singen und Reichs- und Reichskriegsfahnen zu schwenken, ist empörend. Wir schließen uns der Einschätzung unserer Kolleg_innen der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) an: „Die Entscheidung der Polizei, Anhänger_innen der extremen Rechten an einem der zentralen Schauplätze der nationalsozialistischen Gewaltverbrechen in Berlin aufmarschieren zu lassen, lässt die notwendige politische Sensibilität bei den Verantwortlichen vermissen.“ Neben den Neonazi-Hooligans dürfte vor allem der verurteilte Holocaust-Leugner Gerd Walther, der an diesem Abend zumindest an der Auftaktkundgebung von Bärgida teilgenommen hatte, gerade an diesem Teil der Veranstaltung seine helle Freude gehabt haben.

Der verurteilte Holocaustleugner Gerd Walther (ganz links am Bildrand) und der AfDler Heribert Eisenhardt (4. von rechts mit Brille) am 17. August 2015 bei Bärgida. © apabiz
Der verurteilte Holocaustleugner Gerd Walther (ganz links am Bildrand) und der AfDler Heribert Eisenhardt (4. von rechts mit Brille) am 17. August 2015 bei Bärgida. © apabiz

Antifaschistischen Protest fortsetzen!

Aufgrund der kurzfristigen Routenänderung gab es während des Aufmarsches zunächst nur sehr wenige Gegenproteste, die aber zum Ende hin deutlich anwuchsen und lautstark den Aufmarsch begleiteten. Die Ereignisse am letzten Montag haben gezeigt, wie wichtig deutlicher Widerstand gegenüber Bärgida und Kritik an der Einsatztaktik der Polizei ist. In den nächsten Wochen und Monaten wird Bärgida weiterhin zahlreiche Anlässe hierfür liefern. Am kommenden Montag, den 24. August, ist antifaschistischer Gegenprotest gleich bei zwei Anlässen gefragt: Aus dem Umfeld von Bärgida wird nicht nur zum eigenen, sondern auch zu einem Aufmarsch gegen die Eröffnung des Containerlagers in Hohenschönhausen mobilisiert.

O-Töne von Bärgida am 17. August 2015:

Ein bisher unbekannter Redner übte sich bei der Auftaktkundgebung in plumper rassistischer Agitation:

„Afrika ist größer als die USA, China, Indien, Japan und Europa zusammen. Afrika wird von 1,1 Milliarden Menschen bewohnt. Spätestens seit Gloria von Thurn und Taxis uns mitteilte, dass der Schwarze gerne schnackselt (Gelächter), wissen wir, dass diese sich rasant vermehren und zudem oft mit HIV infizieren. Südafrika hat eine Durchseuchungsrate mit HIV in Höhe von 5%. Bei dem Völkermord in Ruanda 1994 starben in kurzer Zeit knapp eine Millionen Afrikaner. Und nein: Es war nicht die deutsche Rüstungsindustrie, welche man dafür verantwortlich machen könnte. China hat 500.000 Macheten geliefert. Mehr brauchten sie nicht, um sich gegenseitig abzuschlachten.“

Auch Mario vom Bärgida-Organisationsteam fand wie schon so oft drastische Worte und drohte unverhohlen:

„Nun, wir sollten nicht Kraft mit Dingen vergeuden, die uns von unseren Zielen abbringen. Wir sollten Taten sprechen lassen. Geredet, analysiert und diskutiert wurde nun schon bis zum Erbrechen. Die Feinde des deutschen Volkes lachen sich eins ins Fäustchen, wenn wir ihnen nicht langsam den Saft abdrehen.“

 

Hinweis: Eine umfassende Foto- und Audiodokumentation liegt dem apabiz vor und kann bei Interesse eingesehen werden.

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