Politische Akteure, die sich dauerhaft etablieren wollen, benötigen eine Infrastruktur, wie beispielsweise Immobilien. Deshalb muss Berlins Neonaziszene einige schmerzliche Rückschläge hinnehmen: die Schließung der Kneipe »Zum Henker«, der baldige Verlust des Nationalen Widerstand-Stützpunkts in der Lückstraße in Berlin-Lichtenberg und die Aufgabe des nationalen Jugendzentrums im Süden des Bezirks Neukölln, das sich in einem Gewächshaus befand. Für die NPD und andere Protagonisten der extremen Rechten ist es in Berlin schwierig, ohne Probleme öffentliche Räume oder private Veranstaltungsorte anzumieten. Kommt es dennoch zu Saalveranstaltungen der extremen Rechten, hat oft einer der beiden Westberliner Urgesteine Hans-Ulrich Pieper und Wolfgang Seifert die Hände mit im Spiel. Beide treten als Unternehmer auf und wirken auf Außenstehende so gar nicht wie klischeehafte »Rechtsextreme«, was ihnen bei der Bereitstellung von Infrastruktur in die Hände spielt.
Piepers »Dienstagsgespräche«
Eigentlich ist Pieper Historiker. Der 1948 geborene tritt aber auch als Politik- und Unternehmensberater auf. Gegenüber dem Wirt der in Berlin-Charlottenburg ansässigen »Filmbühne am Steinplatz« gab er sich als »Geschäftsführer einer Agentur für Konferenzen und Kongresse« aus. Hier hatte er sich seit 2013 zu mindestens drei »Dienstagsgesprächen« getroffen, bevor er die Örtlichkeit Anfang dieses Jahres aufgrund von Presseberichten verlor. Das »Dienstagsgespräch« findet an jedem zweiten Dienstag im Monat statt und firmiert mittlerweile auch als »Diskurs + Dialog – Gesprächskreis auch für politisch nicht korrekte Kommunikation«. AdressatInnen sind nach eigenem Bekunden »Führungskräfte der Wirtschaft, der Medien, Verwaltung und der Streitkräfte«. Die von Pieper seit den frühen Neunzigerjahren organisierten Abendrunden sollen »dem besseren Kennenlernen in ungezwungener Atmosphäre dienen«. Die großen Namen der Wirtschaft oder die Rechtsausleger der bürgerlichen Parteien wie Heinrich Lummer, Jürgen Möllemann oder Egon Bahr kommen, anders als früher, nicht mehr zu ihm. So muss er bei seinen Veranstaltungen mit saftigen Eintrittspreisen im Ambiente einer »geschlossenen Gesellschaft« auf die üblichen Redner der extremen Rechten zurückgreifen. Doch selbst dann gehen Rechtspopulisten wie der für Mai 2013 angefragte Manfred Rouhs von der Partei »Pro Deutschland« auf Distanz. Er witterte hinter der Einladung einen Versuch, seine Partei »trickreich mit rechtsextremen Bezügen zu kompromittieren«.
Piepers Starredner im September 2013 bekam erst gar keine Möglichkeit aufzutreten: er hatte den britischen Buchautor und Holocaust-Leugner David Irving eingeladen. Diesem war aber die Einreise untersagt worden, solange der Bayerische Verwaltungsgerichtshof noch nicht entschieden hat, ob Irvings Aufenthaltsverbot in Deutschland erloschen ist. Neben der Organisation des »Dienstagsgesprächs«, bei dem schon NPD-Politiker wie Udo Voigt und Holger Apfel ein Podium bekamen oder als Zuhörer zu Gast sind, hilft Pieper der NPD auch auf anderem Wege. 2001 wurde er einer der Spitzenkandidaten der NPD für die Wahl zum Abgeordnetenhaus. Er sollte die Bürgerlichen im Westteil der Stadt ansprechen. Allerdings ging das Ergebnis mit 2,2 Prozent der Stimmen in seinem Bezirk Spandau, wie auch im Berliner Durchschnitt, zurück. Zudem begleitete er NPD-Funktionäre zu Parteiveranstaltungen der Konkurrenz, um die WählerInnenschaft im Rechtsaußen-Reservoir zu umwerben. So besuchte Pieper zusammen mit NPD-Kader Uwe Meenen am 14. April 2013 den AfD-Bundes- und Gründungsparteitag in Berlin, während vor der Tür der aktivistische Teil der NPD eine Kundgebung abhielt.
Vom Vermieter zum »Organisationsbüro«
Wolfgang Seifert erwarb 1998 nach mehrjährigem Leerstand das zwangsarisierte Grundstück der Villa Garbáty in der damaligen rechten Hochburg Pankow. Von 1999 bis 2003 vermietete er das Gelände an «Die Republikaner« (REP), die dort ihre Bundeszentrale errichteten. In dieser Zeit fanden dort Parteitreffen statt. 2001 und 2006 kandidierte er bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen für die Partei und ebenfalls im Jahr 2001 war er Vorsitzender des REP-Bundesschiedsgerichts und geschäftsführender Vorsitzender der parteinahen Gottlieb-Fichte-Stiftung. Als sich die REPs immer stärker im Niedergang befanden, kam es zum Richtungsstreit. Der Berliner Landesverband galt mit seinem Spitzenkandidaten 2006 dem konkurrierenden Parteiflügel um den Düsseldorfer Björn Clemens als zu NPD-nah. Tatsächlich finden sich in der Berliner NPD heute einige Funktionäre mit REP-Biographien.
Die Telefonnummer der von Seifert betriebenen Zeitarbeitsfirma »Allround Service GmbH Büro- und Hostessendienst« war 2007 gleichzeitig der Kontakt zum »Organisationsbüro« des »Dienstagsgesprächs« von Pieper. Außerdem soll die Firma 2009 als Quartiermacher für den NPD-Bundesparteitag in Berlin-Reinickendorf gedient haben. Im Winter 2010/2011 stellte Seifert ein Druckereiangebot für Plakate auf und gab dieses an die NPD weiter.
Eines wird also deutlich: Protagonisten wie Pieper und Seifert sind für Parteien der extremen Rechten im Hintergrund essenziell, wenn sie das Korsett einer subkulturell geprägten Szene verlassen wollen.
Der Artikel erschien zuerst in der rechte rand 148/2014