Jahrelang war die Webseite das zentrale Portal der militanten Berliner Neonaziszene. Es wurden Aktionsberichte des Netzwerks publiziert, der Nationalsozialismus verherrlicht und rassistische Inhalte verbreitet. Regelmäßig kam es zu strafbaren Inhalten, darunter Gewaltaufrufen und einer steckbriefartigen Auflistung von linken Einrichtungen und politischen Gegnern, teilweise mit Fotos und Privatadressen. Es folgte die Indizierung der Seite im April 2011 und die dauerhafte Abschaltung im Dezember 2012 sowie Ermittlungen der Polizei hinsichtlich der Betreiber – bislang ohne Erfolg. Sollte das heutige Urteil rechtskräftig werden, drohen dem Berliner NPD-Chef nun auch juristische Konsequenzen für diese Inhalte. Für die Betroffenen hatte die Nennung auf der Seite samt Aufruf zu Straftaten Bedrohungen, Sachbeschädigungen und sogar Brandanschläge zur Folge.
Hintergrund des heutigen Verfahrens war der Versuch von Schmidtke, über seinen damaligen Anwalt Ingmar Knop eine einstweilige Verfügung gegen das Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses Udo Wolf (Linke) zu erwirken. Diese sollte den Linken-Politiker verpflichten, zukünftig nichtmehr zu behaupten, Schmidtke wäre einer der Köpfe des „Nationalen Widerstand Berlin“. Zur Untermauerung gab Schmidtke eine eidesstattliche Versicherung ab, in der er angab, „zu keinen Zeitpunkt war ich Mitglied der Organisation »Nationaler Widerstand Berlin«, insbesondere hatte ich in dieser Organisation keinerlei Funktion oder herausgehobene Bedeutung.“ Allerdings zog er den Antrag damals selber zurück, nachdem das Gericht bereits zu diesem Zeitpunkt auf die geringen Erfolgsaussichten hinwies. Jedoch gab der Berliner NPD-Vorsitzende nach Ansicht der Staatsanwaltschaft diese eidesstattliche Erklärung wissentlich falsch ab, was eine Straftat darstellt. Laut Anklage war er damals mit der Gruppierung NW-Berlin „eng verbunden und übte regelmäßig Tätigkeiten für diese aus.“
Um diese Erklärung drehte sich der heute Prozess vor dem Berliner Amtsgericht, ging im Kern jedoch um Schmidtkes Funktion für das Neonazinetzwerk. Seine Behauptung, damit nichts zu tun zu haben, widersprechen diverse Fakten, die seit Jahren gegen ihn im Raum stehen: Er ist als presserechtlicher Verantwortlicher für diverse Flugblätter und Aufkleber des Zusammenschlusses genannt. Laut Schmidtke ohne sein Einverständnis. Auf den von ihm angemeldeten Aufmärschen hingen am Rednerpult und Lautsprecherwagen Transparente des NW-Berlin und der Internetadresse, vor denen er auch Reden hielt. Das wollte er nie bemerkt haben oder sich daran nicht erinnern können. In einem Interview bezeichnete Schmidtke die Seite als „unsere Weltnetzpräsenz“, seine private Handynummer war unter Demonstrationsaufrufen zu finden. Auch hier versuchte er sich rauszureden. Bei einer Razzia im März 2012 fand die Polizei sogar private Urlaubsfotos von Schmidtke und seiner damaligen Lebensgefährtin Maria Fank (Berliner RNF-Vorsitzende) am Strand, auf denen Textbotschaften aus Steinen in Sand gelegt waren. Eine davon war die Adresse der NW-Berlin Homepage. Wie das zustande kam, wollte Schmidtke angeblich nicht mehr wissen.
So überrascht das Urteil heute gegen den langjährigen Neonazifunktionär wenig. Das Gericht war überzeugt: „Sie haben an dieser Organisation mitgewirkt. […] Diese Plattform muss verwaltet werden, daran waren sie nicht unerheblich beteiligt.“ Weiter heißt es in der Urteilsbegründung: „Wir sind überzeugt, dass sie diese Internetadresse organisiert haben. […] Das sie damit nichts zu tun haben, stimmt nicht.“ In seinem Strafmaß blieb das Gericht jedoch unter der Forderung der Staatsanwaltschaft und verurteilte Schmidtke zu drei Monaten Haft auf zwei Jahre Bewährung.
Das Urteil heute stellt somit die dritte Bewährungsstrafe für Schmidtke innerhalb kürzerer Zeit dar. Erst Ende letzten Jahres war er wegen Volksverhetzung zu acht Monaten auf Bewährung für einen Koffer voller Neonazi-CDs in seinem damaligen Laden „Hexogen“ verurteilt worden. Letzten Freitag folgte ein weiteres Urteil zu zehn Monaten auf Bewährung für volksverhetzende Texte auf einer „NPD-Schulhof CD“. Ob nun weitere Verfahren aus der gerichtlichen Zuordnung Schmidtkes zur Neonazihomepage folgen, wird sich zeigen.
Erstaunlich war, dass der Großteil dieser Informationen über Schmidtkes Rolle bei NW-Berlin nicht von den Beamten des Berliner LKA selbst ermittelt worden war, sondern über den Abgeordneten Wolf erst eingebracht werden mussten. In seiner Zeugenvernehmung sagte er, die Informationen stammten von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, Journalisten und Diskussionen im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Seit Jahren zieht sich in Bezug auf NW-Berlin die Kritik an schleppenden Ermittlungen und fehlenden juristischen Konsequenzen wie ein roter Faden durch die Debatte. Während in NRW mit „NW Dortmund“ ein ähnliches Netzwerk 2012 zerschlagen wurde, beklagten Berliner Sicherheitsbehörden regelmäßig ihre Ahnungslosigkeit über den hiesigen Zusammenschluss.
Dieser Artikel erschien zuerst am 19. Mai 2014 auf dem Störungsmelder-Blog.