Neben Jürgen Elsässer saßen auf dem von Christian Weilmeier moderierten Podium: Dieter Stein (Herausgeber der neurechten Wochenzeitung Junge Freiheit), Oliver Janich (Vorsitzender der Partei der Vernunft (PDV)), die rechte Rapperin Mia Herm alias Dee Ex und Sulaiman Wilms (Chefredakteur der Islamischen Zeitung). Laut Elsässers Ankündigung sei das Podium somit „plural und kontrovers zusammengesetzt, wie es auch dem Profil von Compact entspricht“.
Elsässers Angebot einen Dialog „zwischen demokratischen Linken einerseits und demokratischen Rechten andererseits, zwischen intelligenten Moslems einerseits und intelligenten Islamkritikern andererseits“ zu initiieren, stieß auf großes Interesse. Das größtenteils gutsituierte, rechts-konservative und von irrationaler Überfremdungsangst geplagte Publikum lauschte langen Eingangsreferaten der PodiumsteilnehmerInnen und deren internen Diskussionen, bis es schließlich zu später Stunde selbst mitreden durfte. Sicherlich war es das Thema „Sarrazin als Volksvertreter“, das die 120 Gäste, darunter einzelne extrem Rechte und Vertreter neonazistischer Parteien, anzog.
„Kapitalismuskritik“ wird zur „Überfremdungsangst“
Das gemeinsame Thema Sarrazin und die Möglichkeit einer neuen „Volkspartei“ wurde allerdings von den RednerInnen nur teilweise aufgegriffen. So zusammengewürfelt sich das Podium gestaltete, so wenig kam ein Dialog zustande. Gemeinsam war den meisten Beiträgen nur eine diffuse nationalistisch motivierte Kapitalismuskritik, die in mehr oder weniger deutlichem Rassismus mündete und die Forderung eines Zuwanderungsstopps als demokratisches Projekt verkaufte. So begann schon Elsässer: „Die Hauptströmung in den westlichen Ländern, die […] die politische Macht okkupiert hat, sind die Imperialisten, die eine One World anstreben unter Dominanz der anglo-amerikanischen Befehlszentrale. […] Dem entgegen stehen Demokraten unterschiedlichster Couleur, die den Gedanken der Volkssouveränität und der nationalen Souveränität hoch halten“. Sie wehren sich also legitim gegen die Einwanderungspolitik, die von Anfang an „ein Projekt des Großkapitals, der Großkonzerne“ gewesen sei und so fordert Elsässer eine Differenzierung: „Der Islam ist nicht das Problem, aber die Einwanderung ist das Problem!“
Dieter Stein betonte in seinem Beitrag, dass „eine parteipolitische Alternative […] Not“ täte. Die Junge Freiheit habe ein „offengestandenes Interesse daran, dass das Parteiensystem ergänzt wird“. Allerdings sähe er diesen Wunsch blockiert von „konkurrierenden Interessen, Profilierungssucht, Dilettantismus und der Feindschaft eines politischen medialen Komplexes, der alles dazu beitragen will, dass eine wie auch immer geartete Alternative von rechts […] keine Chance hat“. Stein appellierte daher an Elsässer, „die Finger von Parteigründungsphantasien zu lassen“.
Dee Ex hatte zu Sarrazins Buch nicht viel zu sagen, sie habe es ja nicht gelesen. Allerdings konnte sie von ihren negativen Erfahrungen mit der Politik neuer „Volksparteien“ erzählen: „Also, ich war Gründungsmitglied bei der heute schon öfter angesprochenen Partei „Die Freiheit“ von René Stadtkewitz und ich war vorgesehen als Cheforganisatorin der Parteijugend, und hätte später auch im Bundestag als Familien- und Jugendministerin agieren sollen.“ – sie ist nun aber ausgestiegen, Politik sei für sie „seitdem eher wieder ein Unding geworden“, sie wolle dann doch lieber „unpolitische musikalische Politik vom Volk fürs Volk machen“.
Oliver Janich als Vertreter einer neuen Kleinstpartei stellte in groben Zügen sein Parteiprogramm vor, das die bedingungslose – vor allem finanzielle – Freiheit der/des Einzelnen und die absolute Zurückhaltung des Staates auch und gerade im sozialen Bereich fordert. In diesem Zusammenhang griff er mit dem „Stichwort Neue Weltordnung“ die Verschwörungstheorien seiner VorrednerInnen auf: „Es gibt eine kleine Machtelite, die die Welt […] unter Kontrolle bringen will.“ Er stellte schließlich die Forderung auf, es sollten sich „eigentlich alle als Menschen zusammenschließen gegen die da oben“ – zwar unabhängig von Religion und Hautfarbe, doch zog er keine klare Kante gegen die rassistischen Thesen Sarrazins oder seiner MitdiskutantInnen.
Allein Sulaiman Wilms, der sich als Moslem sowie Mitglied von Die LINKE und Attac positionierte, versuchte, den teils aggressiven antimuslimischen Rassismen, völkisch-nationalistischen Tönen und Verschwörungstheorien der MitdiskutantInnen, vor allem aus dem Publikum, etwas entgegenzusetzen. Jedoch verhallten seine Thesen und Meinungen erwartungsgemäß und erhielten nur bei einem schwindend kleinen Teil der Zuhörenden Zuspruch.
Kein Dialog
Elsässers Versuch, rassistische Ausgrenzungswünsche, nationalchauvinistische Positionen und Verschwörungstheorien außerhalb eines (extrem) rechten settings zu verkaufen, scheint schon bei dieser Veranstaltung an seine Grenzen gestoßen zu sein. Mit Sulaiman Wilms wurde eben nicht auf Augenhöhe geredet, aus dem Publikum wurde der muslimische Vertreter wie zu erwarten gleich mit dem Vorwurf konfrontiert, er wolle die Scharia in Deutschland durchsetzen. Dee Ex, deren Ausführungen allgemein sehr wirr waren, verfiel bisweilen in den Duktus neonazistischer Ideologie. Sie sprach von ihrem Wunsch nach „Volksgemeinschaft“ und beklagte den angeblichen Einfluss einer jüdischen Lobby, da der „IWF […] ja mit Sicherheit auch mit Zionisten zu tun“ habe und „alles ein ganz großer Kreislauf“ sei. Selbst das Publikum reagierte auf ihren unprofessionellen Beitrag teilweise mit peinlich berührtem Fremdscham, lautstarke Beifallsbekundungen kamen dennoch an den entsprechend deutlichen Stellen.
Elsässers Behauptung, sein Herz schlage immer noch links (so im Editorial von compact), kann schon lange als absurd deklariert werden. Zwar wundert sich Dieter Stein noch über Elsässers „Wanderschaft nach Rechts“ – „von einem antideutschen radikalen Linken zu jemand, der wie gesagt ein Plädoyer für eine Partei der Mitte, für einen Dialog mit der demokratischen Rechten“ hält. Schließlich habe Elsässer 1990 hinter einem Transparent mit „Nie wieder Deutschland“ gegen die Wiedervereinigung demonstriert und geriere sich nun als Verteidiger des Nationalstaats. Doch Steins Hoffnungen, dass Elsässer nicht „aus dem innerlinken Diskurs vollkommen ausgeschieden“ würde und somit der Garant für eine Querfront sein könnte, sind illusorisch. Denn dass Jürgen Elsässers Thesen – entgegen seiner Selbstwahrnehmung – mit seiner ehemals politisch linken Positionierung nichts mehr gemein haben, wurde nicht nur in seinem Eingangsstatement deutlich. Sein Weltbild ist kein linkes, doch sein Projekt spricht eine sich als demokratische verstehende Mitte an, die für ihren Rassismus, Nationalismus und Antiamerikanismus eine politische Heimat sucht. Dem ebenfalls anwesenden Vorsitzenden der Berliner NPD, Uwe Meenen, und seinen BegleiterInnen sowie den Personen aus dem Spektrum der Reichsbürger wird es hingegen über weite Strecken zu moderat gewesen sein.
Anhang: Auszüge aus der Rede von Mia Herm oder Dee Ex erklärt uns die Welt
[…] Also, ich war Gründungsmitglied bei der heute schon öfter angesprochenen Partei „Die Freiheit“ von René Stadtkewitz und ich war vorgesehen als Cheforganisatorin der Parteijugend, und hätte später auch im Bundestag als Familien- und Jugendministerin agieren sollen. [Gemurmel im Publikum] Ja, da müssen Sie sich bei Herrn Stadtkewitz und bei Herrn Doll beschweren. […] Ja, also ich bin aus der Partei auf jeden Fall ausgestiegen, weil diese Partei sich hat … nein, das werde ich jetzt so nicht sagen, ehm, … […] Was ich aber habe, was die meisten Politiker unserer etablierten Parteien nicht haben, ist ein Rückgrat und ne ganze Menge Optimismus. […]
Gut, Politik ist wie gesagt für mich seitdem eher wieder ein Unding geworden. Ich möchte unpolitische musikalische Politik vom Volk fürs Volk machen. […]
Und das Thema Sarrazin – der neue Bundeskanzler ist ja auch so’n Ding, ehm, das kann er in der BRD werden, aber nicht in Deutschland. [Gemurmel und Gelächter] Also alle schwärmen, ja! Alle schwärmen von seinem Buch, ich zum Beispiel nicht, weil ich’s noch nicht mal gelesen hab, einfach aus Prinzip nicht, weil er erstens von der SPD kommt – von der kam noch nie so viel Gutes – [Gelächter und Applaus] und weil er natürlich ein ehemaliger Bänker ist. Und Bänker haben auch sehr viel mit Geld zu tun und gerade IWF glaub ich hatte er damals auch die Finger mit im Spiel, ehm, laut Herrn Stadtkewitz bin ich eine Verschwörungstheoretikerin, also darf ich Ihnen das ja sagen: IWF hat ja mit Sicherheit auch mit Zionisten zu tun, ehm, die wiederum sehr viel für die nicht ganz so rundlaufende Politik in Israel verantwortlich sind und das ist alles ein ganz großer Kreislauf und da möchte ich eben möglichst nichts mit zu tun haben. Also Sarrazin fällt für mich raus.
[…]
Nee, das sach ich jetzt auch nicht. Doch? O.k., also, ich habe mir fest vorgenommen zu sagen: Bevor jemand wie Sarrazin ein würdiger Kanzler wird, der seinem Land und seinem Volk gerecht werden kann, bin ich schon die neue Monarchin eines neugermanischen Königreiches! [Gelächter und Applaus]Ja, bevor wir uns überhaupt Gedanken machen, wie so eine Volkspartei zu funktionieren hätte, sollten wir uns erstmal Gedanken machen, wie wir als Volk zu funktionieren haben. Wer oder was sind wir eigentlich momentan? Sind wir als ein Volk zu bezeichnen? So wie wir hier leben sind wir eine zusammengewürfelte Bevölkerung, gegenseitig hassender und sich bekriegender Menschen und Individuen. Wollen wir eine Volksgemeinschaft? Wollen wir gemeinsam etwas erreichen, dass es der Gemeinschaft gut geht, ja oder nein? Ehm, Ja, das sind so viele Fragen, aber momentan, meine Sicht der Dinge: wir sind zum jetzigen Zeitpunkt kleine identitätslose Sklaven in einem hochverschuldeten Land – und das sag ich ganz bewusst – dessen Führer nicht in der Lage sind, verantwortungsbewusst mit unseren Gesetzen und mit unserem Geld umzugehen, das WIR Monat für Monat, Tag für Tag und Stunde für Stunde erwirtschaften, die geben es immer nur aus. Ja.[ …]
Aber ganz ehrlich: Mich vertreten diese Volkszertreter nicht! Und ich schätze mal, Sie vertreten unsere Volkszertreter auch nicht, sonst würden Sie jetzt nicht hier sitzen und auf ne alternative Lösung warten. […]
Wir bräuchten keine Pädagogen für die // naja, doch, gut, Pädagogen bräuchten wir schon, aber es ist // ich sach mal, manchmal ist das, was man an Lebenserfahrungen hat, auch ich als junger Mensch, doch besser als das was man an irgendeiner Universität lernt und wir können noch so hoch und gut studierte Leute da oben sitzen haben, wenn sie das echte Leben draußen nicht sehen, dann kann auch die Politik nicht funktionieren. Also bräuchten wir Mütter da oben! Wir bräuchten Maurer da oben, wir bräuchten Zimmerer da oben, wir bräuchten LKW-Fahrer. Wir bräuchten Menschen, die wirklich, ja aus ihrem Berufsbereich heraus die Ideen einfließen lassen in die Politik, die sich eben mit noch, oder von mir aus dann besser, [sich auskennenden?] Menschen zusammensetzen und // oh mein Gott, ja, die gucken mich alle an [lacht nervös]. Ja, ehm, o.k., wie gesagt, ich überspring das mal, bevor Sie hier einschlafen. Wir alle wissen es: Geld ist Macht und nur die Macht hat Geld. […]