Vorwort

Eigentlich müsste ein Sturm der Entrüstung durch dieses Land gehen, denn selten haben ver.di und Deutsche Journalisten-Union (dju) so viele Attacken auf die freie Berichterstattung registrieren müssen wie in dem vergangenen Jahr 2007.

Zwei Beispiele: Vier Berliner Tageszeitungen erfuhren erst durch ver.di, dass ihre Post vier Tage lang gefilzt wurde. Das Bundeskriminalamt gab zu, in je einem Brief an die Berliner Morgenpost und die BZ Bekennerschreiben der »militanten gruppe« gefunden zu haben. Doch wer garantiert, dass nicht weitere Briefe abgefangen und ausgewertet wurden? Briefe von InformantInnen, die vielleicht einem Redakteur Material zuschicken wollten? Die Redaktionen wurden nicht informiert, es war kein Rechtsvertreter der Verlage bei der Aktion anwesend. Der Informantenschutz war außer Kraft. Doch wirklich nur an diesen Tagen? Niemand von den Betroffenen weiß, ob nicht das BKA öfter Post kontrolliert.

In einem anderen Fall erfuhren mehrere JournalistInnen erst im Oktober 2007 durch einen Artikel in der Berliner Morgenpost, dass sie überhaupt Betroffene eines Verfahrens sind. Schon im Jahr 2005 hatte das Berliner Landeskriminalamt, Abteilung Staatsschutz, Ermittlungen gegen ein gutes Dutzend FotojournalistInnen eingeleitet. Der absurde Verdacht: die Verdächtigen hätten als so genannte »Antifa-Fotografen« – so der Begriff aus den Ermittlungsakten – die rechte Szene ausgespäht. Die FotografInnen gerieten willkürlich ins Visier, personenbezogene Daten wurden durch die selbstherrlichen ErmittlerInnen erhoben und in einer Datei gespeichert. Gestoppt wurde die Schnüffelwut erst durch die Staatsanwaltschaft, die die Ermittlungen einstellen ließ anstatt die geforderten Hausdurchsuchungen bei den zu Unrecht Verdächtigten zu genehmigen.

Diese Art der Ermittlungen werfen ein Schlaglicht auf Methoden bei Teilen der Behörden, die ver.di und im Besonderen natürlich die dju scharf kritisieren – im Interesse der JournalistInnen aber auch im Interesse der freien Berichterstattung, die ein hohes Gut in unserer Gesellschaft darstellt. Eine gute Berichterstattung gelingt unserer Presse unter anderem dadurch, dass sie möglichst wenig eingeschränkt wird in ihrer Recherche. Dazu gehört der Schutz von InformantInnen ebenso wie die Freiheit, politische Aktivitäten und besonders die von rechtsextremen Organisationen, zu beobachten und zu dokumentieren. Diese Grundlagen werden durch solcherlei Ermittlungen angegriffen und das ist inakzeptabel.

Die »Freiheit der Berichterstattung« ist nichts, was allein einer Berufsgruppe wie den JournalistInnen oder den Medien als Ganzes zukommt. Auch Initiativen brauchen die Möglichkeit, sich frei zu informieren, gesellschaftliche Skandale zu benennen und die politischen Verantwortlichen zu kritisieren. Sie erfüllen darin eine grundlegende zivilgesellschaftliche Aufgabe, die als Gradmesser der Freiheit der gesamten Gesellschaft gelten darf.

Die hier im nunmehr zweiten Schattenbericht »Berliner Zustände« versammelten Projekte kennen das Spannungsfeld zwischen behördlichen »ErmittlerInnen« und zivilgesellschaftlichen »BerichterstatterInnen« nur zu gut. Die Projekte müssen sich in ihrer professionellen Arbeit der Beratung, der Dokumentation, der Analyse oder der Intervention ständig mit den Grenzen zwischen »Ermitteln« und »Berichten« auseinander setzen. Und sie müssen sich, das zeigen mehrere Berichte in diesem Jahr, auch immer wieder der Avancen oder der Ignoranz der Behörden erwehren.

Die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt ReachOut macht in ihrem Bericht deutlich, wie sich das Verhältnis zu Ermittlungsbehörden im Laufe ihrer Arbeit verändert hat und beschreibt positive und negative Erfahrungen. Und sie machen das beachtenswerte Prinzip ihrer Arbeit deutlich, zuerst an der Seite der Opfer zu stehen. Sie sehen sich daher auch zwangsläufig im Konflikt mit staatlichen Stellen, wie sie in ihrem Bericht schreiben.

ReachOut weist zu Recht auch auf die skandalösen Ermittlungen gegen den Antifaschisten Matthias Z. hin, ehrenamtlicher Mitarbeiter der Opferberatungsstelle und auch aktives Mitglied des ver.di Landesbezirks Berlin-Brandenburg. Er war von RechtsextremistInnen beschuldigt worden, sie tätlich angegriffen zu haben. Seine KollegInnen von ver.di hatten immer an seine Unschuld geglaubt. Sein Verfahren endete im Dezember 2007 mit einem Freispruch und machte mehrfach die haarsträubenden Ermittlungsmethoden in dem Fall deutlich. Doch damit sind wir leider immer noch nicht am Ende angekommen. Von den eingangs erwähnten Ermittlungen des Berliner LKA gegen »Antifa-Fotografen« war auch ein Kollege des Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrum (apabiz) betroffen. Das ver.di-Mitglied geriet wegen seiner Foto-Berichterstattung bei einem Nazi-Aufmarsch im Dezember 2005 in die Akten des LKA. Der Aufmarsch fand im vergangenen Jahr zum fünften Mal statt.

Welches Fazit kann man aus all diesen Fällen ziehen? Es gibt skandalöse Methoden auf Seiten der ErmittlerInnen in Fällen, die sich gegen Links richten. Und es gibt Methoden beim Berliner LKA, die sich immer wieder gegen die richten, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Diese Methoden behindern vor allem die Berichterstattung über Rechtsextremismus, ob sie professionell bei JournalistInnen stattfindet oder in zivilgesellschaftlichen und ehrenamtlichen Initiativen. Es ist dringend notwendig, dass solche Methoden aufhören. Denn sie behindern die Aktivitäten, die wir dringend brauchen, um dauerhaft einer rechtsextremen Bedrohung begegnen zu können.

Andreas Köhn ist stellvertretender Landesbezirks- und Fachbereichsleiter Medien, Kunst und Industrie der Gewerkschaft ver.di Berlin-Brandenburg. Außerdem ist er der Landesgeschäftsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) und engagiert sich seit Jahren zum Thema Rechtsextremismus innerhalb und außerhalb der Gewerkschaft (www.agrexive.de).

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