NPD-Aufmarsch in Berlin-Köpenick erfolgreich blockiert

200 Neonazis marschierten am vergangenen Montag, den 2. November 2015, durch Schöneweide und Johannisthal, um gegen eine neue Asylunterkunft Stimmung zu machen. Aufgerufen hatte der Berliner Landesverband der NPD. Dass der Aufmarsch nicht bis vor die Unterkunft gelangte, ist den Antifaschist_innen vor Ort zu verdanken. Auch in Mitte und in Marzahn-Hellersdorf waren RassistInnen auf der Straße.

 
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Ein Abend, drei Aufmärsche

Es war seit langem der erste größere Aufmarsch der NPD in Berlin. Seit Jahren versucht die Partei, sich mehr oder weniger verdeckt als „Bürgerinitiative“ vor Ort zu inszenieren. Bei darüber hinaus stattfindenden Kleinstkundgebungen kommt die NPD in der Regel nur mit Mühe auf eine zweistellige Anzahl an Teilnehmenden. Nun wollte es der Landesverband um den Vorsitzenden Sebastian Schmidtke offenbar mal wieder wissen. Den eigenen Anspruch dürfte man mit knapp 200 TeilnehmerInnen, trotz Beteiligung aus Brandenburg und Tschechien, aber deutlich verfehlt haben. Dennoch war der Aufmarsch einer der größeren NPD-Aufmärsche der vergangenen Jahre. Ihr Ziel erreichten die Neonazis aufgrund der Gegenproteste jedoch nicht.
Zeitgleich zum Aufmarsch in Köpenick fanden auch rassistische Veranstaltungen in Marzahn und am Hauptbahnhof statt. Am Hauptbahnhof versammelten sich wie jeden Montag etwa 60 RassistInnen von „Bärgida“, die nach der kurzen Auftaktkundgebung nach Marzahn fuhren, um sich mit einem dort stattgefundenen Aufmarsch zusammenzuschließen und anschließend mit rund 160 Personen und unter den immer gleichen Parolen durch leere Häuserschluchten zu ziehen.

Mit dem vermummungsverbot nahm es die Berliner Polizei an diesem Abend nicht so genau © apabiz
Mit dem Vermummungsverbot nahm es die Berliner Polizei an diesem Abend in Köpenick nicht so genau. | © apabiz

NPD in Johannisthal und Schöneweide – Gewaltaffine Selbstvergewisserung

Auch in Johannisthal und Schöneweide hatte die NPD zu zwei unterschiedlichen Auftaktorten mobilisiert. Der erste Teil des Aufmarsches traf sich ab 18 Uhr am S-Bahnhof Schöneweide und konnte in der Folge fast ungehindert durch Niederschöneweide marschieren. Schon mit dem Motto „Das Boot ist voll, Asylbetrüger abschieben – Es geht auch dich was an!“ bezog man sich auf die rassistisch geführten Debatten um Flucht und Asyl in den 1990er Jahren. Trotz der Beteiligung teils vorbestrafter und aggressiv auftretender Neonazis schätzte die Berliner Polizei die Gefahr zum wiederholten Mal nicht adäquat ein. Der Aufzug von bereits etwa 100 Personen zog so ohne Seitenspalier der Einsatzkräfte durch die Straßen. Für einen Schutz der umstehenden Personen wurde nicht gesorgt, was Teilnehmende des Aufmarsches ausnutzten, um mehrfach gezielt auf Journalist_innen loszugehen. Auch mit dem Vermummungsverbot nahm es die Polizei nicht so genau. Was als „Bürgerdemo“ beworben wurde, diente den Organisatoren wohl eher als Versuch, die eigene Mobilisierungsfähigkeit zu testen und der eigenen Stammklientel die Möglichkeit zu bieten, sich auf der Straße ungebremst auszulassen. Die vorherrschenden Parolen des Abends illustrierten das immer wieder: „Nationaler Sozialismus – jetzt!“, „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“ und „Frei, Sozial und National!“ Im Stadtteil Johannisthal traf der Aufmarsch am Groß-Berliner-Damm auf die zweite Kundgebung. Die mittlerweile etwa 200 TeilnehmerInnen konnten von dort jedoch nur noch wenige hundert Meter weiter ziehen, da die Straße zur Unterkunft durch engagierte Gegendemonstrant_innen blockiert war.

Andreas Käfer, Frank Franz und Ronny Zasowk (von links nach rechts) © apabiz
Andreas Käfer, Frank Franz und Ronny Zasowk (von links nach rechts) | © apabiz

Neonazis bleiben unter sich

Unter den Anwesenden fanden sich der Bundesvorsitzende der NPD, Frank Franz, Vize Ronny Zasowk aus Brandenburg, Schatzmeister Andreas Storr sowie Uwe Meenen, ehemaliger Berliner Landesvorsitzender und derzeitig Mitarbeiter von Udo Voigt im Europaparlament. Außerdem beteiligten sich Mitglieder von DIE RECHTE wie Patrick Krüger sowie Ronny und Gesine Schrader (letztere zwei sogar als OrdnerInnen). Trotz der zeitgleich stattgefundenen Mobilisierung in Marzahn hatte sich eine größere Gruppe von Neonazis aus Marzahn-Hellersdorf in Köpenick eingefunden, darunter auch der Organisator früherer Aufmärsche gegen Unterkünfte in Marzahn-Hellersdorf, René Uttke. Offensichtlich können die Neonazis um Uttke und Krüger dem Versuch der Bärgida-Orga-Crew und dem Spektrum von „Pro Deutschland“, auch in vom Stadtzentrum weit entlegenen Gebieten an frühere Mobilisierungserfolge anzuknüpfen, aufgrund deren inhaltlicher Ausrichtung wenig abgewinnen. Dass die bürgerliche Fassade keine Option ist, wurde auch an diesem Abend deutlich. So schrie Uttke in Anspielung auf den von Neonazis niedergestochenen Antifaschisten Silvio Meier wiederholt in Richtung der Gegendemonstrant_innen: „Wo ist Silvio?“ Ein anderer Teilnehmer ließ wissen: „Rosa Luxemburg liegt immer noch im Landwehrkanal!“ Auch das Fronttransparent wurde von der NPD Marzahn-Hellersdorf gestellt. Weiterhin waren auch bekannte Anti-Antifa-Akteure wie David G. und Christian B. vor Ort, ebenso wie einige Neonazis aus Tschechien, welche auch einen Lautsprecherwagen zur Verfügung stellten. Dieser war bereits bei den NPD-Kundgebungen am 1. Mai diesen Jahres zum Einsatz gekommen.

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Ronny Zasowk will kein Rassist sein

Inhaltlich boten die Reden des Abends nichts Neues. Geflüchtete wurden wahlweise als „Invasoren“ oder „Fluchtsimulanten“ beschimpft. Zasowk bezeichnete in seiner Rede die Einrichtung der neuen Unterbringung in Johannisthal als „ein Verbrechen am deutschen Volk“. Darüber hinaus ließ sich Zasowk in seiner Rede dazu hinreißen, die mittlerweile weit verbreitete „Ich bin ja kein Nazi, aber“ – Figur für die NPD zu beanspruchen: „Man beschimpft uns gern als Nazis, als Rassisten, als Fremdenfeinde, aber all das sind wir nicht. Wir sind diejenigen, die seit Jahren sagen, dass diese Massenzuwanderung zu Kriminalität führt. Dass Überfremdung dazu führt, dass der Sozialstaat in Deutschland irgendwann Geschichte sein wird. Dass diese Massenzuwanderung dazu führt, dass unsere Schulen immer katastrophaler wird.“ Sebastian Schmidtke führte aus, dass die Berliner NPD auch weiterhin am Konzept des vermeintlichen „Bürgerprotests“ festhalten werde: „Wie wir seit letzten Herbst mitbekommen haben, bewegt sich in Deutschland etwas. Es bewegt sich eine Welle, die mit der HoGeSa gestartet hat, die dann mit PEGIDA weiter Form angenommen hat und die in Berlin bei den Protesten gegen die Asylcontainerdörfer ebenso begonnen hat. Und genau das werden wir auch in diesem Herbst weitermachen. Wir werden wie im letzten Herbst gemeinsam – Bürgerbewegungen und nationale Parteien – gemeinsam ein Zeichen gegen die Überfremdung unserer Heimat, gegen die Überfremdung Berlins, Johannisthals, Schöneweides, egal welchen Ortsteil setzen, denn wir sagen: Berlin ist unsere Stadt und wir werden Berlin nicht aufgeben.“

Provokationen am Rand des Aufmarsches © apabiz
Provokationen am Rand des Aufmarsches. | © apabiz

Gegenprotest – richtig und wichtig

Erfreulich war unterdessen die hohe Beteiligung an den Gegenprotesten. Etwa 500 Antifaschist_innen stellten sich den Neonazis in den Weg und konnten so den Aufmarsch noch vor Erreichen seines Zielortes vor der neuen Asylunterkunft blockieren. Das macht Mut, denn in den kommenden Monaten wird es auf Aktionen wie diese ankommen. Mit den anstehenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen im nächsten Jahr werden die diversen extrem rechten Parteien in Berlin noch einmal versuchen, ihre Straßenmobilisierung zu erhöhen – ob offen als Partei oder versteckt als „Bürgerinitiative“. Die Themensetzung, soviel steht fest, wird Hetze gegen Geflüchtete sein, in der Hoffnung, von der vorhandenen rassistischen Stimmung in Teilen der Bevölkerung profitieren zu können. Dass dem erfolgreich etwas entgegengesetzt werden kann, zeigte der Verlauf des Abends.

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