„Renommierprojekt der Rechten“

Die Bibliothek des Konservatismus ist der Neuen Rechten zuzuordnen. Ulli Jentsch vom Verein Apabiz fordert eine ernsthafte politische Auseinandersetzung.

 

taz: Herr Jentsch, die Bibliothek des Konservatismus steht schon seit Langem in der öffentlichen Kritik. Was genau an dem Bücherbestand und dem Programm ist problematisch?

Ulli Jentsch: Die Bibliothek ist ein Projekt der Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung, die wiederum maßgeblich von der rechtslastigen Zeitung Junge Freiheit unter deren Chefredakteur Dieter Stein betrieben wird. Die Bibliothek ist also ein Projekt, das in in unserer Lesart aus der extremen Rechten kommt. In der Wissenschaft wird sie als Neue Rechte bezeichnet, die sich auf konservative Vordenker der Weimarer Zeit bezieht und sich politisch klar rechts von der CDU positioniert. Von der Neuen Rechten werden eine antidemokratische Denkschule und ein antimodernes Staats- und Nationenverständnis vertreten. Das spiegelt sich auch in dem Bücherbestand wider: Die Bücher repräsentieren den gesamten Kanon der deutschen extremen Rechten, von rechtskonservativ bis neonazistisch.

Können Sie Beispiele dafür nennen?

Der Grundstock der Bibliothek ist der Nachlass von Caspar von Schrenck-Notzing, der jahrzehntelang einer der einflussreichen Vordenker des Konservatismus in Deutschland und einer der Vertreter der Neuen Rechten war. Dazu kommen Bestände zum Beispiel von Günter Rohrmoser, einem rechtskonservativen Intellektuellen. Zudem gibt es eine Sondersammlung zum Thema „Lebensschutz“, die 2012 der Bibliothek von der Stiftung „Ja zum Leben“ überlassen wurde und klar antifeministisch ist.

Wurde die Bibliothek mit dieser Intention eingerichtet?

Die Intention war, einen Ort zu etablieren, an dem konservative Forschung und Bildung stattfindet. Das erklärte Ziel ist, dass die maßgeblichen Werke des Konservatismus vorhanden sind und gelesen werden können. Neben dem Bücherbestand geht es der Bibliothek auch explizit darum, einen Ort der Begegnung zu schaffen. Es finden regelmäßig Lesungen, Vorträge und Tagungen statt. Da treten die maßgeblichen Personen des rechten Konservatismus in Deutschland auf, aber auch PolitikerInnen der CDU, wie zum Beispiel Wolfgang Bosbach und Mechthild Löhr (Christdemokraten für das Leben). Auch Vertreter der AfD wie Konrad Adam und Alexander Gauland sind des Öfteren dort.

Wie schätzen Sie den Erfolg der Bibliothek ein? Sind die Veranstaltungen gut besucht?

Die Bibliothek ist inzwischen eine recht etablierte Anlaufstelle innerhalb Berlins. Die Veranstaltungen ziehen thematisch natürlich nicht die Massen an, aber 40 bis 60 Personen – laut Eigendarstellung sind es 50 bis 100 – sind es in der Regel schon. Dazu kommt die renommierte Lage und die Einrichtung, die in puncto Außenwirkung einiges hergibt. Fasanenstraße, das ist nicht irgendwo.

Wie geht der Senat mit der rechtskonservativen Bibliothek um?

Zwischen Bibliothek und CDU in Berlin gibt es keinerlei Berührungsängste. Zwar gibt es kein offizielles Verhalten zu dieser Förderstiftung, der Bibliothek oder der Zeitschrift Junge Freiheit insgesamt, aber offensichtlich bestehen keinerlei Abgrenzungsbedürfnisse. Die Bibliothek ist ein Renommierprojekt der Neuen Rechten. Es hat in Berlin regelmäßig Veranstaltungen der Neuen Rechten gegeben – das so genannte Berliner Kolleg – aber das hat in der Stadt nie zu einer nennenswerten Reaktion geführt. Eine politische Auseinandersetzung über die Inhalte dessen, was da verbreitet wird, gibt es eigentlich nur in antifaschistischen Fachpublikationen. Wir und andere schreiben regelmäßig darüber und beobachten das Geschehen. Ansonsten gibt es keine breitere Auseinandersetzung. Es wäre in der Tat sehr spannend, zu erfahren, was die CDU und die SPD dazu zu sagen haben.

Wenn schon von politischer Seite nicht viel passiert: Gab es zivilgesellschaftliche Versuche, die Bibliothek in ihre Schranken zu weisen?

Es gab immer mal wieder kleine Kundgebungen. Bei der Langen Nacht der Museen 2013 war die Bibliothek des Konservatismus vertreten. Da hat der Asta der TU protestiert, und im universitären Bereich gab es Skepsis, ob das eine geeignete Institution ist, um in so einem Rahmen präsentiert zu werden. Die Bibliothek ist aber im Bibliothekenverbund als ganz normale Bibliothek aufgenommen. Das ist genau der Anstrich, den sie sich gibt. Aber abgesehen davon gab es wenig öffentliche Kritik. Das spricht gegen die politische Kultur dieser Stadt und gegen die Wachsamkeit der intellektuellen Kreise, dass sie sich dieses Themas nicht annehmen. Das ist das eigentlich Problematische: Es gibt anscheinend keine Lust an der offensiven Auseinandersetzung mit solchen politischen Strömungen.

Was ist Ihrer Meinung nach zu tun?

Sinnvoll wäre es, sich mit der politischen Strömung, die hinter der Bibliothek steht, ernsthaft auseinanderzusetzen. Inzwischen, das zeigt auch der Diskurs um Pegida, sind bestimmte nationalistische Diskurse diskutabel geworden beziehungsweise ihnen wird relativ unproblematisch die Tür geöffnet. Das halte ich für nicht gerechtfertigt, wenn man sich den antimodernen, antiliberalen und völkisch-nationalistischen Kern dieser Strömung anschaut.

Dieses Interview erschien zuerst in der taz vom 9. März 2015.

Konservative Bibliothek

 Die „Bibliothek des Konservatismus“ wird von der Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung finanziert. Nach einer fast vierjährigen Vorbereitungszeit wurde die Bibliothek am 23. November 2012 eröffnet.

 Der katalogisierte Bestand der Bibliothek umfasst etwa 27.000 Titel (Stand: Herbst 2014) – rund ein Viertel des Gesamtbestandes von 100.000 Werken. Hinzu kommen ein Archiv politischer Plakate (seit 1848), ein Bildarchiv sowie mehr als 130 katalogisierte Zeitschriften, darunter 30 aktuell erscheinende Publikationen. (fl)

 

    Der Berlin-Blog vom
    Kontakt

    mail@apabiz.de   [PGP-Key]

    Berlin rechtsaußen
    c/o apabiz e.V.
    Lausitzerstr. 10
    10999 berlin

    Piwik