Lichtenberg: Neonazis attackieren Interkulturelles Bildungszentrum

Im Berliner Weitlingkiez wurde das Interkulturelle Bildungszentrum (IKB) in der Münsterlandstraße zum wiederholten Male von Rechtsextremisten beschädigt. Die Schlösser wurden mit Stahlnadeln und Klebstoff unbrauchbar gemacht, wie die Berliner Polizei mitteilt. Der polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.

 

Von Jesko Wrede

Allein in diesem Jahr sei es schon mehrfach zu Beschädigungen des Gebäudes gekommen, erklärt Projektleiter Frank Großer gegenüber Berlin rechtsaußen. Bereits zum dritten Mal ist das Haus in der Nacht Ziel neonazistischer Attacken geworden. Neben der Zerstörung der Schlösser wurden hierbei auch immer wieder Hakenkreuzschmierereien oder Parolen wie „NS-Area“ oder „haut ab“ hinterlassen.

Die gemeinnützige Gesellschaft Urban-Consult bietet in den Räumen unter anderem Sprachkurse für vietnamesisch-stämmige Menschen an. Daneben betreibt sie u.a. mehrere Kindertagesstätten, einen sozialen Möbelring für Bedürftige, eine Beratungsstelle für Migranten, und organisiert europäische Freiwilligendienste. Besonders die interkulturelle Stadtteilarbeit scheint den Neonazis ein Dorn im Auge zu sein.

Urban-Consult engagiert sich seit Jahren im Rahmen des „Lokalen Aktionsplanes Lichtenberg“, sowie im „Forum Weitlingkiez“ mit dem Ziel, bürgerschaftliches Engagement und die Zivilgesellschaft vor Ort zu stärken. Zahlreiche Projekte und Aktionen wurden bereits durchgeführt, die direkt oder indirekt einer Etablierung neonazistischer Strukturen entgegenwirken sollen.

So fand eine der letzten Sachbeschädigungen am IKB kurz vor einem Kiezspaziergang statt, der an Lichtenberger Widerstandskämpfer während des Nationalsozialismus erinnerte. Der Rundgang sollte im IKB beendet werden. In der Nacht zuvor wurden zahlreiche „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig, die an die Schicksale von Deportierten erinnern mit zähflüssiger Teerfarbe beschmiert. Auch ein Gedenkstein für den Arbeiterwiderstand zwischen 1933 und 1945 war mit der gleichen Teerfarbe übergossen worden. Im IKB wurden einmal mehr die Schlösser zerstört und die Wände mit Nazi-Parolen bedacht.

Mit Teer zerstörter Gedenkstein für den Lichtenberger Arbeiterwiderstand am Nöldnerplatz (Quelle: Evrim Baba-Sommer / http://evrimbabasommer.de/)
Mit Teer zerstörter Gedenkstein für den Lichtenberger Arbeiterwiderstand am Nöldnerplatz (Quelle: Evrim Baba-Sommer / http://evrimbabasommer.de/)

Am Montagabend wird im IKB ein neues Projekt eröffnet, das sich der Förderung von Familien mit Migrationshintergrund widmet. An einen Zusammenhang zwischen den neuerlichen Beschädigungen und der heutigen Eröffnung glaubt der Geschäftsführer der Urban-Consult, Dr. Sufian Weise, jedoch nicht.

„Kampf um die Straßen“ – Der Weitlingkiez in Lichtenberg

Der Berliner Bezirk Lichtenberg gilt als Aktionsschwerpunkt von NPD und Autonomen Nationalisten im so genannten „Kampf um die Straße“. Trotz eines aggressiv geführten Wahlkampfes hat die NPD hier bei den Wahlen zur Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im vergangenen September Verluste eingefahren.  Im Weitlingkiez lagen die Wahlergebnisse der NPD mit 6,3 Prozent etwa ein Viertel unter dem Ergebnis der letzten Wahl von 2006 (8,8). Zwei Abgeordnete der NPD konnten erneut in die Lichtenberger BVV einziehen.

Keine 500 Meter vom IKB entfernt befand sich bis vor kurzem ein Stützpunkt militanter Neonazis. Durch eine Meldung des Tagesspiegels wurde bekannt, dass sich hinter dem Mieter der Geschäftsräume, der sich mit dem blumigen Namen „Sozial engagiert in Berlin e.V.“ schmückte, der Neuköllner NPD-Vorsitzende Sebastian Thom verbarg. Thom wurde bereits für einen Angriff auf einen Wahlkampfstand der PDS im Jahr 2006 verurteilt. Gemeinsam mit anderen bekannten Neonazi-Kadern, die dem Umfeld des Nationalen Widerstandes (NW-Berlin) zugerechnet werden, hatte Thom hier einen Treffpunkt für junge Nationalisten einrichten wollen. Nach Bekanntwerden der Hintermänner wurde der Vertrag durch den Vermieter gekündigt.

Bildungszentrum lässt sich nicht einschüchtern

Einrichtungsleiter Frank Großer erklärt, man mache sich schon so seine Gedanken, wenn immer wieder die Schlösser der IKB zerstört werden. Aber Angst habe er nicht: „Wenn man sich Sorgen macht, wird man gelähmt“, sagt er entschlossen. Und er führt aus: „Es ist nicht so, dass das Leben im Weitlingkiez von diesen Leuten geprägt wird. Das lassen wir nicht zu. Der Weitlingkiez ist eine lebendige Gegend mit Leuten aus vielen Ländern, ob Vietnam oder anderswo. Und das wird auch so bleiben.“

    Der Berlin-Blog vom
    Kontakt

    mail@apabiz.de   [PGP-Key]

    Berlin rechtsaußen
    c/o apabiz e.V.
    Lausitzerstr. 10
    10999 berlin

    Piwik