Jugendliche Schläger aus Pankow verurteilt

Drei Jahre nach einem brutalen Überfall auf zwei Mitarbeiter eines griechischen Restaurants in Pankow-Blankenburg wurden nun milde Urteile gegen die TäterInnen gesprochen. Die Betroffenen verließen den Gerichtssaal schon vor dem Urteil.

 
Polizeibeamte

Es war ein Samstagabend wie viele andere auch. Vor dreieinhalb Jahren, am frühen Abend des 29. September 2007, traf sich eine Gruppe von Karower Jugendlichen auf einem Kinderspielplatz im Kiez, um sich mit mehreren Kästen Bier und Wodka zu betrinken. Als die Alkoholreserven gegen 2 Uhr nachts zur Neige gingen, machte sich die Gruppe auf zu der nächsten Tankstelle. Im Bus nach Blankenburg wurden rassistische Lieder und Parolen angestimmt, die schon von weitem an der Tankstelle zu hören waren, wie eine Angestellte des Nachtschalters berichtete.

Feierlaune, „Sieg Heil“ und „Ausländer klatschen“

Zur selben Zeit trafen dort zwei Angestellte eines nahe gelegenen griechischen Restaurants ein, die gerade Feierabend gemacht hatten. Da sie die einzigen weiteren Gäste an der Tankstelle waren und noch dazu als „Ausländer“ identifiziert wurden, gerieten sie in den Fokus der Jugendclique. Was dann passierte, schilderten die Betroffenen so. Kurz nachdem sie an der Zapfsäule geparkt hatten, trat einer aus der Jugendgruppe an das Auto und rief etwas Unverständliches. Kurz darauf flog ein Getränk gegen die Beifahrertür. Aus der Gruppe wurde „Sieg Heil“ gerufen und der rechte Arm zum Hitlergruß erhoben. Als Costas K. aus dem Auto stieg, um die Jugendlichen zur Rede zur stellen, entwickelte sich eine wilde Schlägerei. Die Jugendlichen um Nico H., Steven L., Marcel F. und Max T. schlugen und traten auf den Mann und seinen zur Hilfe eilenden Freund Antonius P. ein. Mehrfach wurden die beiden zu Boden gebracht und gegen Kopf und Körper getreten.

F. riss sich während des Angriffs die Oberbekleidung vom Leib und ging weiter auf K. los. Es wurden mehrfach rassistische Beschimpfungen gerufen. Ein herbeigeholter Rollwagen sollte auf einen der am Boden liegenden geworfen werden. Die Lebensgefährtin von K., Georgia G., wurde daran gehindert, den beiden zur Hilfe zu eilen. Als sich die Situation zerstreute, trat die ebenfalls beteiligte Vivien M. mit den Worten „Scheiss Ausländer“ noch einmal gegen den Kopf eines der am Boden liegenden. Die beiden betroffenen Männer blieben mit Knochenbrüchen, ausgeschlagenen Zähnen und Hämatomen am gesamten Körper zurück. Die von der Tankstellenangestellten gerufene Polizei nahm schließlich 12 Jugendliche fest.

Prozesse gegen Täter und Täterinnen – und Eltern

Am 24. Januar 2010, mit erheblicher Verspätung, begann in Moabit der Prozess gegen vier der Beteiligten. Bereits vorher waren in einem abgekoppelten Prozess die Mitangeklagten Maurice G., Vivien M. und Michael Z. verurteilt worden. Der vermeintliche Haupttäter Nico H. hält sich nach Aussagen seiner Freunde derzeit im Ausland auf und konnte so noch nicht den Gerichten zugeführt werden. Die Angeklagten Steven L., Marcel F., Max T. und Carsten P. wurden teilweise von ihren Eltern begleitet, die keinen Zweifel daran ließen, woher die Jugendlichen ihr rassistisches Gedankengut hatten. Bei den Aussagen der Betroffenen und kritischen Nachfragen des Staatsanwalts zu der politischen Motivation der Angreifer gab es Raunen im Zuschauerraum. Als ein Verteidiger kritische Kommentare zu den Sprachkenntnissen der beiden Betroffenen machte, erntete er dafür Unterstützung der Eltern. Der Richter musste mehrere Male Verwarnungen gegen BesucherInnen aussprechen.

Die Anwälte, allen voran der von vielen Neonazi-Prozessen bekannte Anwalt Wolfram Nahrath, der L. vertrat, versuchten mit allen Mitteln, den Eindruck zu vermeiden, dass es sich um eine politische Tat gehandelt hatte. Sie wiesen jede rassistische Motivation zurück und unterstellten den Angegriffenen durch ihr Verhalten eine Mitschuld. Dass auch einige der Angreifer Verletzungen erlitten, wurde als Anzeichen dafür gewertet, dass sich die Betroffenen unverhältnismäßig gewehrt hätten.

Richter kritisiert die Justiz

Der Richter, der ein Interesse daran zeigte, den Prozess an einem Verhandlungstag zu beenden, ließ keinen Zweifel daran, dass er der Version der zwei Männer Glauben schenkte. Auch das im Gerichtssaal gezeigte Überwachungsvideo unterstrich, dass hier eine zwölfköpfige Jugendclique zwei Menschen brutal verprügelt hatte. In seiner Urteilsverkündung kritisierte der Richter die Verschleppung des Prozesses durch die Staatsanwaltschaft, die letztendlich zu den milden Urteilen führte. Bis auf die Angeklagten G., T. und M. wurden alle Täter lediglich zur Ableistung von Arbeitsstunden und der Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt. Alle Angeklagten wurden nach dem Jugendstrafrecht verurteilt. Das Vorstrafenregister von T. enthielt bereits zum Tatzeitraum acht Eintragungen wegen verschiedenster Delikte. Er, sowie G. und M., wurden zu Haftstrafen verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Die Betroffenen, die sich in einer Situation vorfanden, sich mit den damaligen Tätern das Geschehen noch einmal auf Video anschauen zu müssen, verließen noch vor der Urteilsverkündung den Gerichtssaal, was bei den Verteidigern trotzige Reaktionen auslöste. Die beiden hätten so ihren Mandanten die Möglichkeit verweigert, sich bei ihnen zu entschuldigen. Reue, Mitgefühl, Schuldbewusstsein. Das alles suchte man bei den Tätern auch dreieinhalb Jahre nach dem Übergriff vergeblich.

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